3D-Druck

Andreas Mühlbauer,

Alternative zur konventionellen Fertigung

Wie sich die additive Fertigung entwickelt und wohin der Weg geht, erklärt Andreas Langfeld, President EMEA bei Stratasys, im Gespräch mit Andreas Mühlbauer.

Herr Langfeld, nach fast einem Jahr Corona – wie stark hat die Krise Stratasys beeinflusst und konnten Sie die Zeit für neue Entwicklungen nutzen?

Natürlich hat die Covid-19-Pandemie nahezu jede Branche betroffen. Als in den meisten Ländern Lockdown-Maßnahmen stattfanden, kam die Produktion fast zum Erliegen. Bei der Wiedereröffnung waren Lieferketten bei vielen Herstellern unterbrochen oder zerstört. Das bedeutete für viele Unternehmen, dass sie unter enormen Druck waren, Wege zur Aufrechterhaltung des Betriebs zu finden. Als die Produktion in China anfänglich stillgelegt wurde, sagt die Tatsache, dass einige Autohersteller so weit gingen, dringend benötigte Autoteile in Koffern um die Welt zu transportieren, alles. Für die Branche war dieses Jahr sicherlich eine Herausforderung, aber es besteht kein Zweifel daran, dass der Wert der additiven Fertigung für die Agilität der Produktion und der Lieferkette allgemein eine größere Anerkennung erhalten hat.

Als es weltweit an PSA mangelte und traditionelle Produktionslinien nicht agil genug waren, um die Nachfrage zu befriedigen, trat die additive Fertigung in den Vordergrund. Ohne benötigte Werkzeuge wurde die additive Fertigung zur „Produktionslinie“ für die Massen, mit PSA, Beatmungskomponenten und Covid-19-Nasenstäbchen, die weltweit millionenfach hergestellt wurden. Vielen unserer Kunden hat dies die Augen für den Wert der additiven Fertigung geöffnet, über Prototyping und Werkzeuge hinaus – als echte Produktionslösung, die es Unternehmen ermöglicht, agiler und weniger abhängig von ihren Lieferketten zu sein.

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Wir sehen jetzt eine größere Nachfrage nach Fertigungslösungen. Deshalb stärken wir unsere Produktionstechnologien, um diesen Anforderungen gerecht zu werden – sowohl mit internen Entwicklungen als auch externen Akquisitionen. Wir haben einige aufregende neue technologische Entwicklungen für die Produktion, die wir 2021 mit Ihnen teilen können. Wie Sie vor ein paar Wochen gesehen haben, haben wir die Übernahme von Origin angekündigt, die uns eine leistungsstarke Lösung für die Massenproduktion bietet.

Worauf legen Sie derzeit den Fokus bei Projekten und Entwicklung?

Die Stratasys-Serie J bietet Vollfarbmöglichkeiten bei der additive Fertigung. © Stratasys

Wir konzentrieren uns momentan auf unsere Kernkompetenzen und F&E in vier spezifischen Schlüsselbereichen – Design, Engineering, Manufacturing und Healthcare. Dies hat uns nicht nur zu kurzfristigen Erfolgen verholfen, sondern wir glauben, dass wir perfekt auf starke Chancen und Wachstum im Jahr 2021 vorbereitet sind. Im Designbereich besteht ein zunehmender Bedarf an Vollfarb-3D-Druck mit mehreren Materialien und Eigenschaften, damit Produktdesigner realitätsgetreu 3D-gedruckte Modelliterationen viel schneller als durch herkömmliche Modellierung erstellen können. Je mehr Iterationen, desto besser das Produkt und desto schneller kommt es auf dem Markt. Dies ist ein Bereich, den wir mit unserer fortschrittlichen PolyJet 3D-Druckerfamilie der J-Serie ansprechen. Automobildesign ist ein Bereich, in dem wir dies sehen, und Volkswagen ist nur ein Beispiel.

Volkswagen hat kürzlich in zwei Vollfarb- Multimaterial 3D-Drucker Stratasys J850 investiert, mit denen laut VW komplexe Prototypen erstellt werden, die die Endbauteile mit einer Genauigkeit von bis zu 99 Prozent widerspiegeln. Dazu gehören 3D-gedruckte Bauteile mit unterschiedlichen strukturierten Oberflächen, von Stoff und Leder bis hin zu Holz und Glas.

Für Ingenieure ist die Notwendigkeit von technischen Materialien und Maschinengenauigkeit ein wesentlicher Treiber, um den Anforderungen an funktionale Prototypen gerecht zu werden. Unsere industriellen 3D-Drucker der F123-Serie und der MakerBot Method-Reihe haben sich bei Ingenieuren als Erfolg erwiesen, da sie additive Fertigungskapazitäten in Industriequalität zu leicht zugänglichen Preisen bieten. Mit einer Vielzahl von robusten FDM-Thermoplasten eignen sich diese Systeme ideal für die Validierung des Designs sowie für anspruchsvolle funktionale Prototyping-Anwendungen. Wir werden auch in diesem Jahr neue Materialien auf den Markt bringen, um die Bedürfnisse unserer Engineering-Kunden zu erfüllen.

In der Fertigung sehen wir eine stark wachsende Nachfrage nach Werkzeuganwendungen und Endbauteilen mit unseren Hochleitungsthermoplasten, die es Unternehmen ermöglichen, sich besser und schneller auf Angebot und Nachfrage einzustellen. Wie schon erwähnt, hat das letzte Jahr einen Wendepunkt für ein Wachstum des 3D-Drucks für Endanwendungsteile signalisiert. Infolgedessen arbeitet Stratasys intensiv daran, dass die Produktionssysteme, Materialien und Software den Anforderungen der Hersteller entsprechen – auch in Hinsicht auf Industrie 4.0, die Verwendung neuer Anwendungen voranzutreiben und das Marktwachstum zu steigern.

Andreas Langfeld, President EMEA bei Stratasys. © Stratasys

Sind die Medizintechnik beziehungsweise die Anatomie ganz besondere Nischen und wie können diese vom 3D-Druck profitieren?

3D-gedrucktes Modell einer Wirbelsäule mit Bindegewebe. © Stratasys

Healthcare ist weiterhin ein wichtiger Bereich. In den letzten Jahren hat Stratasys mit Kunden auf der ganzen Welt zusammengearbeitet, um die Patientenversorgung und Kommunikation zu verbessern, die klinische Validierung zu beschleunigen und die Innovation zu steigern – sei es die Erstellung patientenspezifischer medizinischer 3D-Modelle zur Verbesserung der chirurgischen Operationsplanung oder des medizinischen Trainings. Oder auch die Verwendung des 3D-Drucks zur Beschleunigung des Designs, der Validierung und der Produktion von Medizinprodukten. Die vielleicht aufregendste 3D-Druckentwicklung für die Gesundheitsbranche ist unser 3D-Drucker J750 Digital Anatomy.

Durch den Einsatz fortschrittlicher neuer Materialien und Software kann dieser Drucker die Haptik, die Empfindlichkeit und die biomechanischen Eigenschaften der menschlichen Anatomie in medizinischen Modellen reproduzieren. Für medizinische Einrichtungen und Hersteller medizinischer Geräte, die immer wieder eine bessere Nachbildung realistischer Szenarien fordern, ist dies ein entscheidender Wandel. Krankenhäuser, Gesundheitseinrichtungen und medizinische Fakultäten können diese lebensechten 3D-Modelle verwenden, um die klinische Bewertung für eine Vielzahl von Pathologien zu verbessern und neue medizinische Geräte schneller auf den Markt zu bringen.

Steht mittelfristig eher die Verbesserung der Drucktechnik im Vordergrund oder die der Materialien?

Wir verstehen Additive Manufacturing immer als Prozesskette, und diese besteht aus Drucktechnologie, Materialien und Software. Um unseren Kunden stets Fortschritt und Mehrwert zu bieten bedarf es der Weiterentwicklung all dieser Komponenten und deren Zusammenspiel. Für uns ist die Erweiterung unserer Technologien ein wichtiger Punkt, um für Designer, Ingenieure und Hersteller die richtige Lösung anbieten zu können. Jede Technologie greift auf bestimmte Materialien zurück, die einen Use Case ermöglichen. Die Software unterstützt den Nutzer und erhöht dessen Effizienz oder sorgt für eine Automatisierung des AM-Prozesses.

Welchen Stellenwert wird Ihrer Ansicht nach die Additive Fertigung in der Industrie in 10 Jahren haben? Wird sie einige konventionelle Techniken ablösen?

Die Additive Fertigung wird kaum unsere konventionellen Techniken in Gänze ablösen. Sie wird sich aber für bestimmte Applikationen durchsetzen und die vorrangige Produktionsmethode für ausgewählte Bauteile sein. Dies kann industriespezifisch sein, wie im Bereich Medizin, oder teilespezifisch, wo die Serie konventionell gebaut und beim Ersatzteilgeschäft auf additive Fertigung zurückgegriffen wird. Die additive Fertigung wird sich fest in unseren Prozessen verankern und sich als anerkannte Alternative zur konventionellen Fertigung etablieren.

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