Interview mit Tom Krause, Igus
Lasersintern zu Spritzguss-Preisen
Der Kunststoff-Spezialist Igus hat sich im Bereich der additiven Fertigung eine starke Position aufgebaut – in der Bauteileherstellung ebenso wie bei der Entwicklung von 3D-Druck-Materialien für spezielle Anforderungen. Andreas Mühlbauer sprach mit Tom Krause, Leiter des Igus-Geschäftsbereichs Additive Fertigung, über die Bedeutung des 3D-Drucks von der Produktentwicklung bis hin zur Produktion großer Stückzahlen.
Igus ist seit jeher spezialisiert auf Hochleistungskunststoffe für bewegte Anwendungen. Dabei kommt es auf Beständigkeit und minimale Reibung an. Das Unternehmen kann hierbei auf sein über 50 Jahre Kunststoff-Fachwissen zurückgreifen und alle Materialien im eigenen Testlabor auf Herz und Nieren prüfen. Auch einen Web-basierten 3D-Druckservice bieten die Kölner mittlerweile an.
SCOPE: Herr Krause, welche Möglichkeiten bietet die additive Fertigung heute, an die vor einigen Jahren noch nicht zu denken war?
Tom Krause: Ich werde häufig gefragt, ob wir ein bestimmtes Teil drucken können. Wir können heute im Prinzip jedes Teil herstellen, das eine Wandstärke von mindestens 0,7 mm hat und in unseren Bauraum passt. Beispielsweise komplexe Zahnstrukturen, die ansonsten aufwendig gefräst werden müssen, lassen sich ohne Weiteres drucken.
Der große Vorteil gegenüber anderen Fertigungsmethoden ist, dass wir uns dabei keine Gedanken um die Art der Konstruktion oder die Konstruktion des Werkzeugs machen müssen. Selbst im Spritzguss ist das Design sehr anspruchsvoll im Hinblick darauf, auf welche Weise sich ein Bauteil gießen lässt. Alle diese Aspekte entfallen beim 3D-Druck – man benötigt lediglich das 3D-Modell.
Wettebwerbsfähig auch mit großen Stückzahlen
SCOPE: Drucken Sie bei Igus nur Einzelteile wie Prototypen oder Ersatzteile oder gehen Sie auch in größere Serien?
Krause: Das ist sehr unterschiedlich. Wir bieten die Herstellung von Einzelteilen an. Aber gerade bei Zahnrädern oder anderen Verschleißteilen lohnt es sich, auch große Stückzahlen zu produzieren. Denn dabei ist der Preis sehr stark abhängig davon, wie viele Teile wir im Bauraum des Druckers gleichzeitig produzieren können. Bei einem sehr kleinen Teil kann ich beispielsweise mehrere tausend Exemplare in einem Druckvorgang herstellen und komme damit auf einen Bauteilpreis von unter einem Euro. Damit ist man bis zu einer bestimmten Stückzahl schon wettbewerbsfähig zu Spritzguss-Preisen. Hier haben wir schon Losgrößen bis zu 8.000 Stück im Lasersinter-Verfahren hergestellt.
Bei großen Bauteilen können wir entsprechend geringere Stückzahlen gleichzeitig herstellen, was den Preis entsprechend erhöht. Daher bieten sich bei großen Bauteilen häufig andere Fertigungsverfahren an. Außer wenn die Teile sehr komplex sind und daher sehr aufwendig mit anderen Verfahren herstellbar sind, dann ist die additive Fertigung auch sehr interessant.
SCOPE: Wie lange dauert es etwa, diese 8.000 Zahnräder zu drucken?
Krause: Bei einem Bauteil mit Abmessungen von beispielsweise 12 × 12 × 12 mm passen etwa 3.000 bis 4.000 Teile in einen Bauraum. Diese Anzahl können wir übers Wochenende herstellen – die Druckdauer beträgt etwa 30 Stunden. Bei größeren Teilen ist es dann auch eine Zeitfrage, wenn größere Stückzahlen hergestellt werden sollen.
Lasersintern für hohe Qualität
SCOPE: Und Sie arbeiten bei Ihren mechanischen Anforderungen grundsätzlich im Lasersinter-Verfahren?
Krause: Ja, genau. Wir haben im FDM-Verfahren begonnen, bei dem man häufig mit einem Stützmaterial arbeiten muss. Das kostet viel Druckzeit und entfällt beim Lasersintern. Mit dem Lasersintern erreichen wir zudem eine höhere Festigkeit und höhere Genauigkeit. Zudem ist die Druckgeschwindigkeit bis zu 100 Mal höher. Dementsprechend sinken die Herstellungskosten pro Bauteil. Etwa 90 Prozent unserer Aufträge setzen wir im Lasersinter-Verfahren um. FDM kommt bei speziellen Anforderungen zum Einsatz, beispielsweise wenn höhere Anwendungstemperaturen gefordert sind. Das Material Iglidur J260 lässt sich bis 120 °C einsetzen, I150 wiederum eignet sich für Anwendungen im Lebensmittelbereich. Diese Materialien verarbeiten wir im FDM-Verfahren.
SCOPE: Mit welchen Druckern arbeiten Sie, gibt es auch Eigenentwicklungen?
Krause: Beim Lasersintern arbeiten wir mit Anlagen von EOS. Wir nutzen dabei die kleineren Geräte, da sich damit eine höhere Präzision erreichen lässt. Bisher hatten wir davon eine Anlage, seit kurzem arbeiten wir mit drei Anlagen, um der Nachfrage unserer Kunden gerecht zu werden.
Im FDM-Bereich verwenden wir verschiedene Geräte, vor allem einen Eigenbau, den wir für Hochtemperatur-Materialien konstruiert haben. Damit verarbeiten wir beispielsweise das Material Iglidur J-350, das eigentlich ein Spritzguss-Kunststoff ist. Mittlerweile sind wir aber auch in der Lage, dieses im 3D-Druck einzusetzen.
SCOPE: Wie sehen Sie die additive Fertigung im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang? Es gibt mittlerweile so viele Anwendungsbereiche, in denen diese relevant ist; wird sich die Produktion im Allgemeinen verändern?
Krause: Der 3D-Druck wird sicherlich keine Nische bleiben. Es gibt Technologiesprünge, immer mehr große Firmen beschäftigen sich mit der Entwicklung neuer, leistungsfähigerer Geräte. Ich gehe davon aus, dass der Marktanteil der additiven Fertigung zunehmen wird. Ganz klar steht die additive Fertigung in Konkurrenz zum Drehen und Fräsen, wenn es um kleine und mittlere Stückzahlen geht.
Was den Spritzguss angeht, kann der 3D-Druck wie erwähnt bei kleinen Bauteilen eine Alternative sein, wenn es um Stückzahlen in der Größenordnung von etwa 10.000 geht. Eine sehr wichtige Anwendung des 3D-Drucks ist mittlerweile die Herstellung von Werkzeugen für den Spritzguss. Hinzu kommt die dezentrale Produktion direkt vor Ort: So können Teile ohne lange Lieferzeiten direkt in Kundennähe produziert werden. Zudem lässt sich die Lagerhaltung reduzieren. In unseren Filialen haben wir weltweit auch noch einmal etwa 20 3D-Drucker, mit denen wir die Kunden vor Ort direkt und schnell beliefern können.
SCOPE: Welchen Anteil an der gesamten Produktion von Igus hat denn der 3D-Druck und was streben Sie mittelfristig an?
Krause: Konkrete Zahlen kann ich Ihnen da gar nicht nennen, aber ein einfacher Vergleich, um die Relation zu zeigen: Wir haben etwa 450 Spritzguss-Maschinen und vier professionelle 3D-Drucker. Dennoch ist die additive Fertigung für uns ein sehr interessanter Bereich, denn selten beginnen Stückzahlen im fünf- oder sechsstelligen Bereich. Wenn beispielsweise ein Kunde ein neues Produkt entwickelt und in dieser Phase keine fünfstellige Summe für ein Werkzeug ausgeben will, ist die additive Fertigung das Mittel der Wahl. Häufig werden auch die ersten Teile einer Serie additiv gefertigt und gehen erst bei höheren Stückzahlen in die Spritzguss-Fertigung. Das heißt, auch bei der im Verhältnis geringen Anzahl an 3D-Druckern ist deren Nutzen für uns doch sehr hoch. Oft ermöglichen sie es uns erst, die Aufträge in größeren Stückzahlen zu bekommen, da wir dem Kunden helfen können, sein Produkt in diversen 3D-Druck-Iterationen zu optimieren, bevor er es in Masse produzieren lässt. Gerade in der Optimierungsphase spart der 3D-Druck viel Zeit und Geld. Denken Sie nur an die Geometrie eines Zahnrades: Hier muss bei konventioneller Fertigung für jede Verbesserung für viel Geld ein neuer Fräser her.
SCOPE: Wie kam Igus zum 3D-Druck?
Krause: Das Lasersintern verwenden wir in der Entwicklung bereits seit mehr als 10 Jahren. Schon aufgrund der Geschwindigkeit war das Verfahren für uns interessant. Anfangs haben wir einfach experimentiert. Wir wollen unseren Kunden schnell helfen und haben unseren ersten FDM-Drucker selbst gebaut, um Erfahrung zu sammeln. Dann haben wir selbst verschiedene Filament-Typen entwickelt und getestet. Dabei ging es uns um verlängerte Lebensdauer, aber auch höhere Temperaturbeständigkeit. Das war eigentlich unsere erste Geschäftsidee auf dem Gebiet – neuartige, verbesserte Filamente auf den Markt zu bringen. Mit der Zeit hat sich dann herausgestellt, dass vielen Kunden die Hardware oder die Kapazität fehlte und sie daher Interesse hatten, auch die Bauteile von uns zu beziehen.
Dies brachte und dann zur Technologie des Lasersinterns, da wir damit bessere Qualitäten anbieten konnten – glattere Oberflächen, geringere Toleranzen. Das Verfahren wird von unseren Kunden sehr gut angenommen und die Anlage war immer sehr gut ausgelastet. Daher haben wir nun auch neue Anlagen angeschafft. Das Feedback unserer Kunden ist uns dabei sehr wichtig und hilft uns bei der weiteren Entwicklung sowohl der technischen Ausrüstung als auch der Bauteile selbst. Zu den von uns angebotenen Werkstoffen geben wir unseren Kunden natürlich auch entsprechende Tipps Verarbeitungshinweise an die Hand.
Druckservice mit vielen Optionen
SCOPE: Heute bieten Sie den 3D-Druck auch als Service an. Wie entstand diese Idee?
Krause: Anfangs hatten viele unserer Kunden keine eigenen 3D-Drucker. Daher wuchs die Nachfrage stetig. Schnell hat sich dann wie erwähnt das Lasersintern als die praktikablere Technologie herausgestellt. Für die FDM-Materialien kommt beispielsweise der Freeformer oder ein Eigenbau-3D-Drucker zum Einsatz. Dabei werden unter anderem auch Spritzgussmaterialien verwendet, die auch im 3D-Druck verarbeitbar sind.
SCOPE: Wie haben Sie den Druckservice in der Praxis umgesetzt?
Krause: Viele Bestellungen erreichen uns online. Dazu mussten wir ein neues System entwickeln. Das entsprechende Tool, haben wir mit unseren Partnern zusammen entwickelt. Anfang 2016 konnten wir dann den Web-Druckservice starten. Hier muss der Kunde nur sein 3D-Modell hochladen, kann die Materialien, Toleranzen und Stückzahlen beliebig angeben und entsprechend die Preise einsehen. Diese Bestellung wandert dann in den Igus-Warenkorb. Der Kunde kann also gleichzeitig auch andere Bestellungen tätigen. Der Kunde erhält sein Bauteil individuell konfiguriert und schnell.
Igus bietet ja auch diverse Online-Konfiguratoren an, mit denen sich der Kunde seine Bauteile selbst dimensionieren und spezifizieren kann. Das beste Beispiel sind Zahnräder. Hier gibt der Kunde seine Parameter wie Zähnezahl oder Zahnmodul ein. Mit Hilfe des Konfigurators erhält er dann die optimale Zahnform und gleichzeitig ein für den Druck geeignetes 3D-Modell.
SCOPE: Können Sie im 3D-Druck die gleichen Toleranzen anbieten wie im Spritzguss?
Krause: Nein, so weit ist die Technik da noch nicht. Im 3D-Druck liegen die Toleranzen derzeit bei etwa ±0,1 mm, in Einzelfällen auch ±0,05 mm. Im Spritzguss sind die Toleranzen geringer. Hier besteht durchaus noch Entwicklungsbedarf. Aber es kommt natürlich immer auf die individuellen Anforderungen an. Letztere sind abgesehen von den Toleranzen auch sehr unterschiedlich. Wie erwähnt, ist da zum einen die Temperaturbeständigkeit, aber auch Abriebfestigkeit, Lebensmittelverträglichkeit oder ESD-Verhalten sind oft wichtige Kriterien. Auch in diesen Bereichen entwickeln wir unsere Materialien ständig weiter. Viele Zahnradformen lassen sich auch schlicht nicht oder nur sehr aufwendig fräsen. Hier bieten wir mit dem 3D-Druck Kostenvorteile.