Neue Aufgabe für Stäubli Stericlean-Roboter

Marie Saverino,

4D-Druck von menschlichem Gewebe

Die Herstellung von Hauttransplantaten ist heute grundsätzlich möglich, aber komplex und nur in kleinem Maßstab realisierbar. Das Upscaling und die Standardisierung sind nach wie vor Herausforderungen. Das französische Start-up-Unternehmen Poietis hat dafür eine Lösung entwickelt. Die Next Generation Bioprinting (NGB)-Plattform wird das Tempo und die Effizienz des 4D-Drucks von menschlichem Gewebe beschleunigen – mit einem Stäubli Roboter.

Haut aus dem Drucker. © Poietis

Für den Laien ist es nach wie vor kaum nachvollziehbar: Mit bewährten Verfahren wie dem Laserdruck kann man auch menschliche Haut oder Knorpelgewebe „drucken”. Seit mehr als zehn Jahren stehen entsprechende Produkte zur Verfügung. Sie zeigen gute klinische Ergebnisse, aber nach wie vor gibt es Hürden bei der Standardisierung der Herstellungsprozesse und der reproduzierbaren Qualität. Außerdem stellt das Upscaling, also die möglichst kostengünstige Produktion in größerem Maßstab, eine große Herausforderung dar.

Automatisierung beim 4D-Druck von menschlicher Haut

Die Gründe dafür nennt Fabien Guillemot, CEO und wissenschaftlicher Leiter des französischen Startup-Unternehmens Poietis: „Bei dieser ersten Produktgeneration hängt die Qualität von sehr vielen Variablen ab – auch von menschlichen Faktoren. Deshalb haben wir mit der Next Generation Bioprinting-Plattform – kurz NGB – eine Methodik entwickelt, die das Verfahren vereinfacht und auch weniger Personal erfordert. Damit werden wir den Forschern mehr Freiheit bei der Auswahl von Biomaterialien und Hydrogelen sowie zusätzliche Möglichkeiten bei der Forschung und Entwicklung von künstlicher Haut bieten – und die Kosten des Verfahrens senken.“ Das heißt: Auch hier, genau wie in der Industrie, ist die Automatisierung mit Robotik eine Schlüsseltechnologie zur Steigerung von Qualität und Effizienz.

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Der NGB-C. © Poietis

Poietis arbeitet an der Serienreife von zwei Bioprintern, die auf der NGB-Plattform basieren: der NGB-R für die Forschung und Entwicklung und der GMP-konforme NGB-C für klinische Anwendungen. Die Plattform, so Fabien Guillemot, wird erschwinglichere Behandlungen ermöglichen: Die gedruckte Hornhaut eines menschlichen Auges kostet heute rund 100.000 Euro – das soll künftig günstiger sein. Außerdem wird das robotergestützte Verfahren die Funktionalität der implantierten Gewebe verbessern, weil die Parameter der Produktion besser gesteuert werden können.

Inspiriert von Industrie 4.0

Diese neue Plattform ist stark von den Prinzipien der Industrie 4.0 inspiriert. Sie integriert Automatisierungs- und Robotertechnologien, empfängt über zahlreichen Sensoren Signale in Echtzeit und verarbeitet Daten mit Künstlicher Intelligenz. Außerdem umfasst die Plattform alle derzeit möglichen Bioprinting-Techniken (lasergestütztes Bioprinting, Bioextrusion, Bioprinting mit Mikroventilen). Dabei nutzt sie vier Technologien mit einer Auflösung auf der Ebene einzelner Zellen: CAD, automatisiertes und robotergestütztes Bioprinting, Inline-Kontrolle und Modellierung der Gewebebildung.

Schon Ende 2017 begann Poietis mit der Entwicklung der automatisierten Plattform für das Bio-Printing und entschied sich für den Einsatz eines Stäubli Sechsachsroboters vom Typ TX2-40 in der Stericlean-Version. Diese Robotervariante wurde dezidiert für medizinische und pharmazeutische Anwendungen entwickelt und ist deshalb vollständig reinig- und sterilisierbar.

Transport von einem Druckkopf zum anderen per Roboter

Welche Aufgabe übernimmt der TX2-40? Das Gewebe wird in einem hermetisch isolierten Arbeitsraum auf einer Zellkulturplatte hergestellt. Verschiedene Druckköpfe drucken jeweils die Zellen und die anderen Materialien, die ebenfalls Teil des Gewebes sind. Der Roboter bewegt das herzustellende Gewebe von einem Druckkopf zum anderen und passt sich dabei an die verschiedenen in die Plattform integrierten Bioprinting-Modi (Laser und Extrusion) an.

Das Innere des NGB-R. © Poietis

Die bisher gebräuchlichen Bioprinting-Verfahren sind nur in der Lage, die oberste Hautschicht (Epidermis) zu produzieren. Das Zellkultur-Herstellungsverfahren der NGB-Plattform hingegen kann auch die darunterliegende, hauptsächlich aus Bindegewebe bestehende Schicht – die Dermis – herstellen. Außerdem dauert der Druck eines rund 40 cm2 großen Hautquadrates nur noch drei bis vier Stunden statt der bislang üblichen acht bis neun Stunden.

Roboter für medizintechnische F&E

Weshalb sich Poietis für Stäubli Roboter zur Automatisierung der NGB-Plattform entschieden hat, bringt Fabien Guillemot auf den Punkt: „Der Hauptgrund: Stäubli war und ist in der Lage, Roboter in zwei Konfigurationen zu liefern, die exakt unserem anspruchsvollen Einsatzprofil entsprechen: für die Forschung und Entwicklung und für klinische Anwendungen.“

Ein virtuelles Labor. © Poietis

Auch die Genauigkeit und Geschwindigkeit des Roboters waren überzeugende Faktoren. "Der TX2-40 ermöglicht es uns, die verschiedenen Druckköpfe mit hoher Präzision, Geschwindigkeit und Wiederholgenauigkeit anzufahren. Zudem – und das ist für unsere Anwendung extrem wichtig – emittiert er im Betrieb keine Partikel, die das Gewebe kontaminieren könnten."

Aus diesem Grund muss der aseptische Isolator, in dem der Drucker und eben auch der Roboter untergebracht sind, die Hygiene-Anforderungen der Klasse A erfüllen. Das setzt die Eignung für intensive Reinigungsverfahren voraus. Fabien Guillemot: „Genau wie der Rest des Isolators muss der Roboter mit hoch wirksamen Reinigungsmitteln gereinigt werden können und sterilisierbar sein. Der Stericlean-Roboter erfüllt diese Anforderungen – und er hat die richtigen, d.h. kompakten Abmessungen. Unsere Drucker dürfen nicht zu groß sein, um in den Zelltherapiezentren von Krankenhäusern eingesetzt werden zu können.“

Die Haut ist erst der Anfang

Poietis hat die Automatisierung der Plattform 2019 abgeschlossen und 2020 die Marktreife erreicht. Die erste NGB-Plattform wurde Ende 2021 im Universitätskrankenhaus von Marseille installiert. Noch in diesem Jahr soll dort die weltweit erste klinische Studie mit einem 4D-gedruckten Hauttransplantat starten.

Parallel dazu arbeitet Poietis auch schon an anderen Anwendungen. Bruno Brisson, Mitbegründer und Director Business Develoment: „Unsere Plattform ist flexibel. Wir treiben weitere Projekte für das Bioprinting von Knorpelmasse, Bauchspeicheldrüsengewebe und Nervenzellen voran."

Einige dieser Anwendungen werden eine Anpassung einzelner Module der Plattform erfordern, aber die Komponenten bleiben dieselben: ein Laserkopf zum Drucken von Zellen, einer für die Extrusion von Biomaterialien – und ein Stäubli Roboter zum Transport des Gewebes von einem Druckkopf zum nächsten.

Autor: Ralf Högel

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