Interview
Additiv fertigen
Wie bedingen sich Digitalisierung und Additive Fertigung gegenseitig? Welche technischen Fortschritte sind hier in den kommenden Monaten zu erwarten? Darüber sprach Daniel Schilling mit Marcus Joppe, Managing Director bei Materialise.
Wie hat sich der Markt für Additives Fertigen in der produzierenden Industrie in den vergangenen 12 Monaten aus Ihrer Sicht entwickelt?
Der Markt hat sich insgesamt zufriedenstellend entwickelt. Wichtiger ist aber, dass sich durch Lieferengpässe und die verstärkte Nutzung additiver Fertigung, kurz AM, für Ersatzteile und Endprodukte auch der Blick von Unternehmen darauf verändert hat. Manchen Entscheidern wurde erstmals richtig bewusst, dass sich 3D-Druck auch abseits des Prototyping langfristig rechnen kann. Kurze Entwicklungszeiten, zeitliche und räumliche Flexibilität sowie die damit möglichen Verbesserungen in Logistik und Kundenservice machen die Technologie attraktiv. Mit dem erweiterten Blick wurde auch deutlich, dass nicht die reinen Produktionskosten, sondern die Total-Cost-of-Ownership dafür entscheidend sind, ob sich AM für ein Bauteil lohnt, und dass die Gestaltungsfreiheit von AM Funktionsverbesserungen und damit Wettbewerbsvorteile ermöglicht. Inzwischen suchen viele Unternehmen systematisch nach sinnvollen 3D-Druck-Anwendungen.
Fördert die zunehmende Digitalisierung der Produktion auch die Einführung Additiver Fertigungsverfahren oder besteht da kein ursächlicher Zusammenhang?
AM kommt den Anforderungen der Digitalisierung entgegen und profitiert von ihr. Im Kern ist sie bereits eine digitale Fertigungstechnologie und ermöglicht schon jetzt viele der angestrebten Vorteile der Industrie 4.0. Dazu zählt eine flexible Fertigung: on-demand, dezentral und vernetzt. Zusätzlich sind die Fertigungskosten relativ unabhängig von Bauteilkomplexität und Losgröße. Bauteile und Produkte lassen sich so bedarfsgerecht und lokal herstellen. Um ihr volles Potential innerhalb einer digital vernetzten Produktion nutzen zu können, ist insbesondere weiter an der Automatisierung sowie der Integration in bestehende Produktionsumgebungen zu arbeiten. Dies sind auch wesentliche Themen von uns.
Mit Blick auf die kommenden 12 Monate: Welche technologischen Fortschritte bei der Additiven Fertigung werden marktreif? In welchen Segmenten wird es besonders vorangehen?
Dies ist aktuell auch aufgrund der Pandemie schwierig zu beantworten. Ein Schwerpunkt ist aber sicherlich die additive Serienfertigung. Es gibt bereits viele Anwendungsbereiche, in denen sich Produkte mit Mehrwert oder auch günstiger additiv in Serie fertigen lassen. Um die Technologie hier noch voranzubringen, sind allerdings weitere Entwicklungen hinsichtlich Kosteneffizienz, Materialvielfalt, Automatisierung, Produktivität und Prozesstabilität nötig. Insofern erwarten wir insbesondere noch produktivere AM-Anlagen, neue Materialien und Legierungen, stärkere Automatisierung in der Nachbearbeitung sowie innovative Softwarelösungen zur Steigerung der Kosteneffi-zienz und Prozessintegration.