ISW der Universität Stuttgart

Additiv gefertigte Werkzeugmaschinen für die Mikrobearbeitung

Die additive Fertigung von Maschinenkomponenten oder ganzer Werkzeugmaschinen ist momentan nicht Stand der Technik, bietet jedoch ein großes Potential besonders für Anwendungen in der Mikrofertigung aufgrund kleiner Prozesskräfte. Im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Kleine Werkzeugmaschinen für kleine Werkstücke“ wurde am Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) ein Maschinenkonzept entwickelt, um Werkzeugmaschinen der Mikrofertigung kleiner als herkömmliche Maschinen zu bauen und an Prozesse anzupassen. 

Das ISW entwickelte ein sogenanntes „Production Cube Module“ (PCM), das es erlaubt, verschiedene Antriebskonzepte und Prozesse über leicht wechselbare Adapterplatten an einem PCM zu betreiben und eine hohe Modularität sicherzustellen.

Bisherige Werkstücke aus der Mikrozerspanung werden auf Werkzeugmaschinen gefertigt, die im Vergleich zu den bearbeiteten Mikrostrukturen bezüglich ihres Bau- und Arbeitsraums überdimensioniert sind. Dies führt zur Entwicklung von Werkzeugmaschinen, die an die Größen der zu fertigenden Werkstücke angepasst sind. Wirtschaftliche Vorteile von größenangepassten Werkzeugmaschinen sind ein geringerer Ressourceneinsatz zum Aufbau, ein geringerer Energiebedarf angesichts kleinerer bewegter Massen und Antriebe sowie der geringere Platzbedarf aufgrund kleinerer Stellfläche. Allerdings lassen sich größenangepasste Maschinen nicht allein durch Herabskalierung aufbauen, vielmehr ist eine grundlegende Neukonstruktion von Rahmengestell, Antrieben und Kinematiken erforderlich. Angestrebt werden Bauräume von 0,125 m³ bis 0,003 m³. Für die benötigten kleinen Komponenten existieren jedoch keine am Markt erhältlichen Lösungen, sodass dafür Neuentwicklungen erfolgen müssen.

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Das ISW entwickelte ein sogenanntes „Production Cube Module“ (PCM), das es erlaubt, verschiedene Antriebskonzepte und Prozesse über leicht wechselbare Adapterplatten an einem PCM zu betreiben und eine hohe Modularität sicherzustellen. Über eine Kulissenkinematik sowohl beim Werkzeug als auch Werkstück wurde eine kooperative Bewegungserzeugung am PCM realisiert, wodurch der Bauraum bei gleichzeitiger Erhöhung des Bearbeitungsraums verkleinert wird. Eine weitere Miniaturisierung der Werkzeugmaschine erlaubt es, die Maschinenstruktur additiv herzustellen. Die Gründe dafür sind abnehmende Anforderungen hinsichtlich der Bearbeitungs- und Gewichtskräfte sowie niedrigere Anforderungen an die Steifigkeit der Maschinenstruktur. Dadurch können Werkzeugmaschinen schnell und kostengünstig auf andere Prozesse oder Antriebe angepasst werden.

Durch das Drucken von Funktionselementen wie Führungen und Federn entfallen zusätzliche Montageprozesse und die Anzahl an Einzelteilen, Schrauben und Verbindungselementen kann deutlich reduziert werden

Additiv gefertigte Werkzeugmaschinen-Komponenten

Additive Fertigung, auch bekannt als 3D-Druck, Additive Manufacturing oder Rapid Prototyping, ist die Schlüsseltechnologie zur wirtschaftlichen Herstellung von hochkomplexen Einzelteilen. Neben subtraktiver Fertigung (Fräsen, Drehen, Bohren, etc.) und Umformtechnik bildet die additive Fertigung die dritte Hauptklasse industrieller Prozesse. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Prozessklassen wird Material aufgetragen, um ein Werkstück aufzubauen. Grundsätzlich lassen sich additive Fertigungsverfahren unterscheiden in Freiformverfahren (z.B. Fused Deposition Modeling - FDM), flüssigkeitsbasierte (z.B. Stereolithografie - STL) oder pulverbettbasierte Verfahren (z.B. Selektives Laser Sintern - SLS). Alle Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass die Bauteile auf einer Bauplattform schichtweise Ebene für Ebene oder Bahn für Bahn aufgebaut werden.

Mittels additiver Fertigung können Geometrien wirtschaftlich hergestellt werden, die mit klassischen Fertigungsverfahren unmöglich oder nur sehr teuer zu fertigen sind. Zudem ist es möglich, auch Volumeninnenstrukturen sowie selektiv lokale Werkstoffzusammensetzungen in Bauteilen zu bestimmen und damit auf den Anwendungsfall hin zu optimieren. Durch das Drucken von Funktionselementen wie Führungen und Federn entfallen zusätzliche Montageprozesse und die Anzahl an Einzelteilen, Schrauben und Verbindungselementen kann deutlich reduziert werden.

Die additive Fertigung von Maschinenkomponenten oder ganzer Werkzeugmaschinen ist momentan nicht Stand der Technik, bietet jedoch ein großes Potential besonders für Anwendungen in der Mikrofertigung aufgrund kleiner Prozesskräfte. Basis für die additiv gefertigte Werkzeugmaschine bildet auch hier ein Basis-Cube. Adapterplatten mit unterschiedlichen Kinematiken und Bauformen führen zu einer Vielzahl an Konfigurationsmöglichkeiten. Dabei geben die additiven Verfahren dem Konstrukteur neue Möglichkeiten die Werkzeugmaschine zu gestalten und Funktionselemente wie Federn oder Festkörperelemente im selben Herstellungsprozess zu integrieren.

Antriebskonzept mit KGT

Die erste Variante der kleinen additiv hergestellten Werkzeugmaschine verwendet herkömmliche Kugelgewindetriebe als Vorschubsachsen. Dieses Antriebskonzept zeichnet sich durch einen linearen Positionierverlauf aus, wobei der Stellweg theoretisch nur von der Spindellänge begrenzt wird. In diesem Fall wird im kooperativen Betrieb bei einer Baubreite von 150 mm (ohne montierte Motoren) ein Verfahrbereich von 120 mm erreicht. Die Verfahrgeschwindigkeit lässt sich beliebig über den Servomotor steuern und ist durch die maximale Drehzahl des Motors limitiert. Bei der hier verwendeten Miniaturspindel und Servomotorkombination sind theoretische Positioniergenauigkeiten von unter 0,1 µm möglich.

Nachteilig ist die Vielzahl zusätzlicher Bauelemente, um den Kugelgewindetrieb zu installieren. Dies widerspricht der eigentlichen Vorstellung, möglichst viele Funktionselemente in die Werkzeugmaschine additiv zu integrieren. Die Anzahl der Bauteile der Werkzeugmaschine selber kann jedoch auch hier deutlich reduziert werden. So sind nur drei mit herkömmlichen abtragenden Fertigungsverfahren nicht und nur äußerst kostspielig herzustellenden Grundplatten nötig, um die Führungen, Kugelgewindetriebe, Messsysteme und Motoren aufzunehmen und eine Adapterplatte mit Kinematik für die X- und Y-Achse zu realisieren.

Antriebskonzept mit Piezo-Antrieben

Da der Stellweg der Piezoaktoren gering ist (45 µm), der Verfahrweg des Positioniertisches jedoch durch kooperative Bewegung mindestens 1 mm betragen soll, muss eine geeignete Übersetzungsstruktur zur Vergrößerung modelliert werden. In Betracht kommen eine klassische Hebelübersetzung, sowie eine Brückentypübersetzung.

Die Verkleinerung der Maschine und die Verwendung der kooperativen Bewegungserzeugung ermöglicht auch die Integration neuer Antriebstechnologien, wie beispielsweise Piezoaktoren. Die Antriebscharakteristiken zeichnen sich durch kleine Stellwege mit einer hohen Bewegungsdynamik aus. Ein Anwendungsgebiet könnte die Laserstrukturierung von kleinsten Bauteilen sein. Da der Stellweg der Piezoaktoren gering ist (45 µm), der Verfahrweg des Positioniertisches jedoch durch kooperative Bewegung mindestens 1 mm betragen soll, muss eine geeignete Übersetzungsstruktur zur Vergrößerung modelliert werden. In Betracht kommen eine klassische Hebelübersetzung, sowie eine Brückentypübersetzung. Die Bewegungen und relativen Rotationen der Übersetzungen sind so klein, dass sich eine Anwendung von Festkörpergelenken eignet. Diese besitzen eine lokale Querschnittsverengung mit einer verminderten Biegesteifigkeit, was eine relative Rotation durch Biegung an dieser Stelle erlaubt. Die Vorteile dieser Festkörpergelenke sind die Kompaktheit und der entfallende Verschleiß durch eine monolithische Herstellung. Dadurch lassen sich die Festkörpergelenke wie gewünscht, direkt in einem additiven Prozess in die Werkzeugmaschine integrieren. Die Nachteile, dass die Festkörpergelenke nur im elastischen Bereich betätigt werden dürfen und die Rotation durch die maximal erlaubte Biegung begrenzt ist, spielen in diesen Größenordnungen keine Rolle.

Prototyp der Werkzeugmaschine mit beiden Brückentypmodulen und der Grundplatte

FE-Simulationen haben ergeben, dass der bestgeeignetste Lösungsansatz die Brückentypübersetzung ist. Diese ist letztendlich die einzige Übersetzungsmethode, bei der die Simulation einen Verfahrweg von 1 mm erreicht. Der klassische Hebel wird durch die maximale Kantengröße der Werkzeugmaschine von 150 mm eingeschränkt und eignet sich durch die zu geringe Biegesteifigkeit des Hebels nicht. Die Modelle wurden zur experimentellen Validierung gedruckt und getestet. Die simulierten Ergebnisse haben sich bestätigt. Der Prototyp der Werkzeugmaschine mit beiden Brückentypmodulen und der Grundplatte ist fertig.

Zusammenfassung, Bewertung und Ausblick

Der Aufbau kleiner Werkzeugmaschinen mit additiven Fertigungsverfahren ermöglicht es, die Maschinen bei kleiner Baugröße aufgrund von reduzierten Fertigungsschritten und weniger Bauteilen wirtschaftlicher herzustellen sowie Funktionselemente und neue Antriebskonzepte zu integrieren. Erste Prototypen zeigen, dass es möglich ist bei Maschinen mit herkömmlichen Kugelgewindetrieben hohe Positioniergenauigkeiten und sehr gute Bauraum- zu Arbeitsraumverhältnisse zu realisieren. Weiterhin ist es möglich neue Antriebskonzepte wie Piezoaktoren als Maschinenantriebe zu verwenden. Durch integrierte Festkörpergelenke und Hebelübersetzungen im additiven Fertigungsprozess ist bei diesem Maschinentyp durch kooperative Achsbewegung ein Verfahrbereich von 1 mm möglich.

Nachteilig bei der Verwendung des hier verwendeten SLS und FDM Verfahrens mit Kunststoffen ist ein thermischer Verzug der Bauteile bzw. des Maschinengestells, welcher in künftigen Forschungsprojekten mit geeigneten Maßnahmen reduziert werden sollte. Weiterhin müssen Möglichkeiten der kostengünstigen Nachbearbeitung der gedruckten Bauteile gefunden werden. Dies betrifft vor allem Gewindebohrungen und glatte Oberflächen, welche bisher additiv nicht herstellbar sind.

Für sehr kleine Maschinen muss eine Kalibriermethode gefunden werden, die auch bei kleinstem Einsatz und eventueller kooperative Achsbewegung zum Einsatz kommen kann. Durch die Vielzahl an neuen fertigungstechnischen Möglichkeiten wie Faserintegration, gerichtete Faserverlegung, Hohlräume an Strukturen und Materialmix während des Druckens in einem Bauteil, sind noch weitere Konzepte auf ihre Vor- und Nachteile hin zu untersuchen. Christoph Batke, Daniel Coupek, David Marx / ee

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