Interview mit Dr. Horst Hill, DEW
Der feine Unterschied
Wie unterscheiden sich additiv und subtraktiv gefertigte Bauteile in ihren Eigenschaften? Dieser und noch mehr Fragen rund um Metall in der generativen Fertigung stellte sich Dr. Horst Hill von den Deutschen Edelstahlwerken.
Welches additive Fertigungsverfahren eignet sich für die Metallverarbeitung am besten?
Dr. Horst Hill: Eine pauschale Antwort ist hier nicht möglich. Zum einen bieten die diversen Verfahren unterschiedliche Vor- und Nachteile, zum anderen hängt die Auswahl des Verfahrens maßgeblich vom jeweiligen Bauteil und der Anwendung ab. Und nicht zuletzt auch davon, welche Werkstoffe verfügbar sind und sich auch noch verarbeiten lassen. Mit am weitesten verbreitet ist sicherlich die additive Fertigung im Pulverbettverfahren, welche sehr komplexe Bauteile ermöglicht und somit schon viele Anwendungsfelder erschlossen hat.
Wie funktioniert eine pulvermetallurgische Aufbereitung?
Zunächst werden die einzelnen Rohstoffe in einen Ofen chargiert und eingeschmolzen – man kann sich diesen Vorgang als Kochen nach einer Rezeptvorlage vorstellen. Die Schmelze wird anschließend durch ein Düsensystem geführt und unter hohen Druck zerstäubt. Die Schmelzetropfen erstarren und so erhält man das Metallpulver.
Lassen sich alle Metalle pulvermetallurgisch aufbereiten?
Theoretisch ja. Der „Trick“ ist, dass die Schmelze vernünftig durch das Düsensystem geführt werden muss. Wir sprechen hierbei von der „Verdüsbarkeit“ – diese hängt zum einen von den Parametern wie Druck und Temperatur ab. Zum anderen auch maßgeblich von der chemischen Zusammensetzung. Von daher, vieles ist möglich, es gibt jedoch auch immer technisch bedingte Einschränkungen.
Die Deutschen Edelstahlwerke bieten verschiedene Metalle und Metalllegierungen sowohl als Feststoff als auch als Pulver an. Angenommen, ein Bauteil wird aus dem gleichen Metall einmal gefräst und einmal additiv gefertigt, inwieweit unterscheiden sich die fertigen Bauteile in Stabilität und Robustheit?
Additiv hergestellte Bauteile, zum Beispiel mittels Pulverbett, zeichnen sich in der Regel durch ein deutlich feinkörnigeres Gefüge aus. Gemäß Hall-Patch-Beziehung sind damit zeitgleich höhere Festigkeitswerte bei höherer Zähigkeit möglich. Auf der anderen Seite sind konventionell hergestellte Werkstoffe bei Dauerschwingfestigkeiten oftmals überlegen, da die ein oder andere Pore beispielsweise nicht vermieden werden kann, was sich wiederum in den Eigenschaften widerspiegelt.
Wenn man jedoch die Verarbeitungscharakteristika sowohl der Großserie als auch der additiven Fertigung bei der Werkstoffentwicklung und dem Legierungsdesign berücksichtigt, sind zumindest sehr vergleichbare Eigenschaftsprofile möglich. Ein Beispiel ist hierzu der von Deutsche Edelstahlwerke entwickelte bainitische Werkstoff Bainidur, der als Schmiedeprodukt und Metallpulver verfügbar ist. Unsere Kunden werden damit in die Möglichkeit versetzt, im Entwicklungsstadium auf Rapid Prototyping mit Metallpulver zu setzen. Die so gefertigten Bauteile können untersucht und erprobt werden – selbst die Wärmebehandlung kann getestet werden. Anschließend werden bei der Serienfertigung dann unsere Schmiedeprodukte eingesetzt und das ohne einer kompletten Neuentwicklung auf Seiten des Kunden.
Mit welchen Trends im Bereich Werkstoffe und additive Fertigung kann die Industrie in den nächsten Jahren rechnen?
Wir sehen einen Schwerpunkt in Werkstoffneuentwicklungen, die auf Anforderungen und Rahmenbedingungen der additiven Fertigung hin optimiert sind. Als Beispiel ist hier unser neuentwickelter und zum Patent angemeldeter Printdur HSA zu nennen. Dabei handelt es sich um einen hochfesten austenitischen Werkstoff, welcher die schnellen Abkühlgeschwindigkeiten im Pulverbettverfahren gezielt für die Gefügeentwicklung nutzt. Zudem kommt dieser Werkstoff ohne Nickel aus, was aus dem Blickwinkel der Arbeitssicherheit sehr wichtig ist.