Humanoider Gelenkbaukasten von Igus

Gelenkig dank SLS-Verfahren

Seinen Gelenkbaukasten für humanoide Roboter Robolink fertigt der Tribokunststoff-Spezialist Igus derzeit per Kunststoff-Lasersintern. Aufgrund der Komplexität von 18 Bauteilen in einem Gelenk rechnet sich das Verfahren bei den derzeitigen Stückzahlen – 2011 wurden 50 Baukästen verkauft - auf jeden Fall im Vergleich zu den sonst sehr hohen Kosten bei anderen Verfahren, wie zum Beispiel dem Spritzgießen.

„Das Projekt Robolink wäre aufgrund seiner Komplexität für Igus ohne das Lasersintern viel teurer geworden“, sagt Robolink-Produktmanager Martin Raak.

Vor drei Jahren begann der Hersteller von Kunststoff-Gleitlagern und Energieführungsketten Igus damit, einen auf bionischen Prinzipien basierenden Gelenkbaukasten zur Konstruktion humanoider Robotiksysteme zu entwickeln. „Das erste entwickelte Gelenk ähnelt einem menschlichen Ellenbogen und vereint zwei Freiheitsgrade, also Schwenk- und Drehbewegung, in einem Gelenk“, beschreibt Martin Raak, Entwicklungsleiter und Produktmanager Robolink. Der Antrieb erfolgt über Seilzüge, so dass die Antriebstechnik komplett von den bewegten Massen entkoppelt werden kann.

Da der Hersteller traditionell alle Produkte im Spritzguss fertigt, wurden auch die Robolink-Teile anfangs dafür ausgelegt. „Im Rahmen der Konstruktion wuchs die Anzahl und Komplexität der Bauteile aber ständig weiter“, erinnert sich Raak. Das habe die Anschaffungskosten für Spritzgusswerkzeuge immer weiter nach oben getrieben. Um diese Investition nicht schon im Vorfeld einer Markteinführung tätigen zu müssen, entschied sich das Team, alternativ die Rapid-Prototyping-Verfahren Vakuumguss und Lasersintern, wie es zum Beispiel das bayrische Unternehmen EOS anbietet, zu testen. „Beides hat gut funktioniert“, erzählt Raak. „Da ich mich persönlich aber schon seit zehn Jahren mit der Produktentwicklung per SLS-Verfahren auseinander setze, lag die Idee nahe, auf dieses Verfahren als Fertigungstechnologie auszuweichen.“ Für ihn persönlich sei der Einstieg ins Lasersintern über Prototyping unabdingbar gewesen, betont der Entwicklungsleiter. „Hätte ich mich nicht vorher schon so viel mit dem Lasersintern beschäftigt, hätte ich mich wohl kaum ohne weiteres dafür entschieden, dieses Verfahren nun für Robolink zu nutzen.“

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Die niedrigere Steifigkeit und Festigkeit lasergesinterter Teile reicht beispielsweise für dieses, dem menschlichen Ellenbogen nachempfundene Gelenk völlig aus. Da es aus 18 Einzelkomponenten besteht, lohnt sich auch bei einer Stückzahl von 50 verkauften Baukästen im Jahr 2011 noch die Produktion per Kunststoff-Lasersintern.

Prototypen machen Laune
Obwohl die grundlegende Konstruktion der Bauteile zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon abgeschlossen war, nutzte Raaks Team dennoch die Freiheiten, die das generative Herstellungsverfahren im Vergleich zum Spritzguss ermöglicht. „Als Firma ist für uns ganz wichtig, dass wir sehr viele Versuche mit den Teilen machen und die Entscheidung nicht auf Basis von Datenblättern fällen“, sagt Raak. „Erst wenn wir im Versuch feststellen, dass man damit arbeiten kann und wir auch die Schwachstellen in den Griff bekommen können, machen wir weiter.“ Im firmeneigenen Versuchslabor werden alle Produkte im Dauerbetrieb 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche getestet. Es war längst bekannt, dass lasergesinterte Teile über eine geringere Festigkeit und Steifigkeit verfügen, als spritzgegossene. „Aber bei diesem Produkt können wir mit der eingeschränkten Festigkeit und Steifigkeit gut leben“, betont der Produktleiter. „Da das ganze System mit Seilzügen angesteuert wird, ist es sowieso ein nachgiebiges, weiches System und kein hochfestes.“

Wo auch immer die Festigkeitsuntersuchungen Schwachstellen bei lasergesinterten Teilen zeigten, wurde die Konstruktion angepasst und modifiziert − etwa Versteifungen und Verdickungen eingebracht. Die Konstruktion wurde aber auch dahingehend vereinfacht, dass sich nun Hinterschnitte realisieren ließen und Freiräume geschaffen wurden, die ohne Lasersintern nicht machbar gewesen wären. Mit Erfolg, denn inzwischen hat ein Gelenk im Testlabor bereits sechs Millionen Zyklen standgehalten. „Wir sind zuversichtlich, dass wir durch eine Verbesserung in der Konstruktion noch dieses Jahr zehn Millionen Zyklen erreichen können“, ist sich Raak sicher. Hier kommt ein weiterer Vorteil des Lasersinterns zum Zug: Die Möglichkeit, von Charge zu Charge Anpassungen vornehmen zu können, ohne dass dies hohe Folgekosten bei Werkzeugen nach sich zieht. „Die Geschwindigkeit, mit der wir neue Produkte präsentieren können, ist einfach unvergleichlich schneller als wenn man das im Spritzguss macht.“ Eine tolle Eintrittskarte, weiß Raak. Denn will etwa ein Automobilkunde eine Sondervariante eines Produktes haben, und „wir besuchen diesen dann sehr zeitnah schon mit einem Prototypen, der die gewünschten Merkmale aufweist, ist die Freude meist sehr groß“.

Mit dem Gelenkbaukasten Robolink wendet sich Igus an Entwickler humanoider Roboter. Der Clou daran ist, dass die Antriebselemente komplett von den bewegten Massen entkoppelt wurden. Das Lasersintern als direktes Fertigungsverfahren erlaubt bei diesem Projekt eine hohe Variantenvielfalt und schnelles Eingehen auf Kundenwünsche.

Das Projekt Robolink wäre für das Unternehmen ohne das Lasersintern viel teurer geworden. „Darüber hinaus hatten wir so eine sehr schnelle Markteinführung“, hebt Raak einen weiteren Vorteil für den Hersteller hervor. „Und wir erweitern unseren Baukasten ständig.“

Monika Corban, Freie Mitarbeiterin CAD-CAM Report/ee

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