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Eine Welt in Schichten

Das Direkte Metall Laser-Sintern ist heute eine etablierte Technologie für Serienspritzgusswerkzeuge und für die Herstellung von Metallprodukten. Sie eignet sich aber auch für andere Kunststoffverarbeitungsverfahren wie Extrusion oder Blasformen.

Nach Ansicht des Herstellers EOS haben die DMLS-Anlagen in Kombination mit neuen Werkstoffen großes Potenzial für die unterschiedlichsten Anwendungen. Aktuelle Praxistests belegen dies.

Schnittmodel des Werkzeugeinsatzes mit integrierter Kühlung: Die Übergangszone vom Rohling zum Aufbau mit DMLS ist aufgrund des homogenen Gefüges nur noch am nicht bearbeiteten Umfang zu erkennen.

Die Technik des Direkten Metall Laser-Sinterns (DMLS) ist seit 1995 auf dem Markt verfügbar und wird vor allem im Werkzeugbau eingesetzt. Das Verfahren produziert Metallkomponenten direkt aus CAD-Daten, Schicht für Schicht aus verschiedenen Werkstoffen. Die so gefertigten Werkzeuge weisen mittlerweile nahezu die Standfestigkeit von konventionellen Werkzeugen auf und sind gerade für die kundenindividuelle Produktion bei maximaler Flexibilität und Qualität eine interessante Alternative zu herkömmlichen Fertigungsverfahren. Die Technik wird vor allem wegen ihrer kurzen Durchlaufzeiten sowie der Möglichkeit, schnell und flexibel auf Produktänderungen reagieren zu können, geschätzt. Der deutsche Hersteller EOS nimmt in der Produktion dieser Anlage eine führende Rolle weltweit ein und konnte bereits mehr als 150 Maschinen installieren – allein in den letzten zwölf Monaten wurden 36 DMLS-Anlagen ausgeliefert.

Mit der Technologie sind auch komplexeste Geometrien, beispielsweise für optimierte Temperierkanäle, möglich. Der Ausgangswerkstoff sind verschiedene Metallpulver. Im Werkzeugbau hat sich das Material EOS Maraging Steel MS 1 durchgesetzt. Der Werkstoff ist ein martensitaushärtender Stahl in feiner, vorlegierter Pulverform. Seine chemische Zusammensetzung entspricht der europäischen Klassifizierung 1.2709 und der deutschen X3NiCoMoTi 18-9-5. Diese Art von Stahl zeichnet sich durch sehr gute mechanische Eigenschaften aus, sowie durch eine einfache thermische Nachbehandlung. Durch Nachhärtung erreicht das Material eine Festigkeit von bis zu ~1.950 MPa und eine Härte von 50-54 HRC. Die maximale Größe der Werkzeugeinsätze beträgt 250 x 250 x 180 Millimeter.

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Eine Technik – drei Stärken
Zu den Anwendern der Technologie zählt unter anderem die die Firma LBC in Kornwestheim. Das Dienstleistungsunternehmen wurde 2002 von den Ingenieuren Ralph Mayer und Marc Dimter gegründet. Auftragsgeber der Firma sind namhafte Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen, unter anderem Medizintechnik, Werkzeug- und Formenbau, Aluminiumguss und –druckguss sowie dem Kunststoffspritzguss.

Ein Blick in den Bauraum der Anlage zum Direkten Metall Laser-Sintern (DMLS): Direkt aus CAD Daten entstehen Schicht für Schicht Produkte aus verschiedenen pulverförmigen Metallwerkstoffen oder Werkzeuge für den Spritzguss.

LBC setzt die Laser-Technologie für drei Anwendungsbereiche ein: Mit DMLS entstehen Großserienformen für den Kunststoffspritzguss und den Metalldruckguss kostengünstig. Im Bereich Rapid Tooling erlaubt die Technik zudem schon im Entwicklungsstadium Teile aus dem späteren Originalwerkstoff zu spritzen. Und im Rapid Prototyping realisiert das Unternehmen damit die schnelle und flexible Herstellung von Prototypen.

Die Kornwestheimer entschieden sich im Frühjahr 2006 für eine DMLS-Anlage. Für EOS sind diese nicht nur ein Kunde, sondern auch ein Entwicklungspartner. Ein Ergebnis der gemeinsamen Zusammenarbeit ist der Werkzeugstahl EOS Maraging-Steel MS 1.

„Vor allem bei unseren Großserienwerkzeugen bietet das DMLS-Verfahren den Vorteil, dass konturnahe verdeckte Kühl-kanäle in nahezu beliebiger Geometrie und Anordnung realisiert werden können“, erklärt Geschäftsführer Mayer. „Durch optimale Temperierung ist der Kunststoff des Spritzgussteiles wesentlich homogener. Und wir erreichen Zykluszeitreduzierungen von bis zu mehr als 60 Prozent.“

De Puy Spine setzt bei seinem Messgerät Expedium SFX Cross Connector auf die DMLS-Technologie und verkürzt so die Durchlaufzeiten deutlich.

Beim Rapid Tooling zeichnen sich die Werkzeuge durch ihre hohe Genauigkeit aus. Zudem sind sie beschichtbar, beispielsweise mit chemischem Nickel. So können Randschichthärten von über 70 HRC erreicht werden. Schon im Entwicklungsstadium ermöglicht es LBC mittels DMLS seinen Kunden, mit ihrem Werkzeug Teile aus dem späteren Originalwerkstoff zu spritzen.

Beim Rapid Prototyping liegt die Stärke darin, die gewünschten Prototypen direkt aus einem metallischen Werkstoff zu generieren. Der Umweg über Formen, die üblicherweise für die Produktion von Prototypen benötigt werden, entfällt. Schnell und kostengünstig vom 3D Datensatz zum realen Werkstück. Außerdem können verschiedene Varianten eines Werkstücks zeitgleich aufgebaut werden.

Konkrete Anwendung: Hybrid-Rohling
Großes Potenzial sieht LBC beim Einsatz von DMLS für hybride Anwendungen, also Produkte, bei denen bestimmte Partien mit konventionellen Verfahren hergestellt werden, und andere Partien mit der Laser-Technologie. Die optimale Aufteilung eines Volumenkörpers in Hybrid-Rohling und DMLS-Volumen erfolgt im CAD-System auf Basis der vom Kunden gelieferten 3D-Daten. Das Volumen des Originalteils ist im Sockelbereich sehr einfach konventionell herstellbar. Aus diesem Grund wird in Absprache mit dem Kunden eine Lösung zur Kostenoptimierung gesucht. In diesem Fall heißt die Lösung „Hybrid“. Der Kunde stellt in dem Fall einen konventionell hergestellten Rohling bei.

Die Schnittebene zwischen konventionellem Verfahren und DMLS wird möglichst weit oben gewählt. Wichtig ist hier vor allem, dass beide Bauteile aus dem identischen Werkstoff bestehen. Somit werden Unterschiede im Wärmedehnungskoeffizienten und damit ein Auftreten von Spannungen innerhalb des Werkzeuges vermieden. Bei nicht geeigneten Werkstoffpaarungen kann es bei großen Bauteilen aufgrund des sehr homogenen Gefüges des Werkstoffes 1.2709 zu Spannungsrissen kommen. Letztendlich ist die Übergangszone vom Rohling zum Aufbau mittels DMLS aufgrund des homogenen, lasergesinterten Gefüges nur noch am nicht bearbeiteten Umfang zu erkennen. Das Resultat und der Nutzen für den Kunden sind erstaunlich: Ersparnisse von bis zu 50 Prozent der Herstellkosten für ein optimal konturnah gekühltes Werkzeug.

Werkzeugstähle und mehr
Doch die Technik kann noch mehr: DMLS mit dem neuen Material EOS Maraging-Steel MS1 liefert Werkzeuge, die durch optimierte Kühlungen zu einer verbesserten Qualität der Spritzgussteile führt. Durch neuartige Kühlstrategien werden die Zykluszeiten verkürzt, aber auch die Standzeiten der Werkzeuge erhöht. EOS will daher seine Entwicklung weiterhin stark auf neue Werkstoffe fokussieren. Dazu gehören Leichtmetalle wie Titan und Aluminium, aber auch andere Stähle und hochfeste Legierungen wie Inconel und weitere Werkzeugstähle. Kobalt-Chrom und Edelstahl sind bereits kommerziell erhältlich. Diese Werkstoffe eignen sich für die direkte Fertigung von Metallprodukten.

Einer der Anwender in diesem Bereich ist DePuy Spine (www.depuyspine.com). Das Unternehmen entwickelt Implantate und Verfahren für die Wirbelsäulenchirurgie. Dort setzt man erst seit Februar 2007 auf das Verfahren und hat bis dato bereits mehr als 1.200 Komponenten gebaut. Bis jetzt werden sie hauptsächlich für Evaluierungszwecke und Verkaufsmuster verwendet. „Wir sehen weiterhin ein großes Potenzial im Bereich der chirurgischen Anwendungen“, erläutert Peter Ostiguy, Staff Team Leader bei der Johnson & Johnson Tochter. „Die DMLS Technologie bildet ein neues Fundament dafür, wie wir unsere Komponenten konstruieren. In der Vergangenheit haben wir auf die Art und Weise konstruiert, wie es Fertigungsverfahren zulassen. Jetzt, mit Laser-Sintern, können wir bereits während der Konstruktion Aspekte der Funktionalität in den Vordergrund stellen.”

Mittels DMLS hat DePuy in einigen Projekten die Durchlaufzeiten um bis zu 50 Prozent gesenkt, sogar wenn Produktänderungen notwendig waren. Ostiguy prognostiziert auch, dass mit DMLS hergestellte Instrumente verstärkt in Operationssäalen Einsatz finden werden, sobald der neue, härtbare Werkstoff EOS Stainless Steel PH1 kommerziell verfügbar ist. Das Material erfüllt direkt nach dem Bauprozess die ASTM E8 Spezifikation und ergänzt das bestehende Material EOS Stainless Steel 17-4. Der Werkstoff wird zurzeit von verschiedenen Pilotkunden geprüft.

Ausblick: DMLS bietet eine ideale Plattform für die Entwicklung neuer oder verbesserter Produkte und Anwendungen. Aufgrund des schichtweisen Aufbaus der Produkte ist es möglich, die Geometrie und die interne Struktur des Werkstoffes zu variieren. Das schafft neue Möglichkeiten bei der Konstruktion und Optimierung von Bauteil-Eigenschaften. Beispiele sind unter anderem bionische Strukturen oder belastungsoptimierte Füllstrukturen, die mit DMLS aufgebaut werden können. Somit ergeben sich neue Wege in der Konstruktion von Werkzeugen oder Produkten mit der Laser-Technologie. Die kurzen Durchlaufzeiten und die Flexibilität, die die Laser-Technologie bietet, bilden weitere Schlüsselfaktoren für eine wirtschaftliche Fertigung in einer Zeit, in der immer kürzere Innovationszeiten und eine steigende Variantenvielfalt dominieren.

Stefan Graf

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