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Dem hohen Druck angepaßt

Bis zu 2.500 Tonnen Druck machen die Stanz- und Umformautomaten von Andritz Kaiser. Während die kleineren Pressen aus Standardbaugruppen mit gewissen Anpassungen bestehen, handelt es bei den großen Anlagen um kundenspezifische Sondermaschinen. Allen gemeinsam ist, dass sie unter hohem Zeitdruck entwickelt werden. Dank des auf explizite Modellierung basierenden Konstruktionsansatzes von PTC Co-Create Modeling können die Konstrukteure von ihren 3D-Modellen schnell und flexibel neue Automaten ableiten.

Die Firma Kaiser wurde im Jahr 1945 in Bretten als Spezialist für die Stanz- und Umformtechnik gegründet und im Jahre 2004 von der Grazer Andritz-Gruppe übernommen, die zu den weltweit führenden Lieferanten von maßgeschneiderten Anlagen, Verfahren und Dienstleistungen für Wasserkraftwerke, für die Zellstoff- und Papierherstellung, die metallverarbeitende Industrie sowie andere industrielle Anwendungen gehört. Andritz Kaiser ist heute Teil des Geschäftsbereichs Andritz Metals, der komplette Produktionslinien für die Herstellung und Verarbeitung von Kaltband aus Kohlenstoffstahl, Edelstahl und Nicht-Eisen-Metallen plant, entwickelt und errichtet. Darüber hinaus liefert er schlüsselfertige Industrie-Ofensysteme für thermische Prozesse. Andritz Metals erwirtschaftete im letzten Geschäftsjahr mit 996 Mitarbeitern einen Umsatz von 556 Millionen Euro, was knapp 16 Prozent des Gruppenumsatzes entspricht.

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Am Standort Bretten entwickeln und montieren 130 Mitarbeiter jedes Jahr rund 20 Stanz- und Umformautomaten mit einer Presskraft von 160 bis derzeit 2.500 Tonnen. Abgesehen von wenigen Teilen, deren Herstellung spezielles Know-how verlangt, hat man die Fertigung der Komponenten komplett ausgelagert. Das Unternehmen arbeitet mit Zulieferern überall auf der Welt zusammen, denen man zum Teil schon 3D-Daten zur Verfügung stellt. Als vertragsrelevante Dokumente sind die 2D-Zeichnungen aber immer noch unverzichtbar, wie Konstruktionsleiter Andreas Walther betont.

Eingesetzt werden die Pressen vorwiegend in der Automobilindustrie, aber auch in anderen Branchen, wie ein Blick auf die Kundenliste verrät: Namhafte Referenzen sind ABB, Bosch, Danfoss, Ford, INA, Philips, Stihl, Volkswagen oder Würth. "Unsere Pressen zeichnen sich dank ihrer Linearführungen durch eine hohe Genauigkeit und Steifigkeit aus, was der Herstellung von Präzisionsteilen aus Hartmaterialien entgegenkommt. Gleichzeitig erzielen wir durch die Seitenteile aus Guss eine höhere Dämpfungswirkung", beschreibt Andreas Walther die Merkmale der Pressen. "Trotz der aktuellen Wirtschaftskrise ist unsere Auslastung derzeit noch recht gut."

Die Herausforderungen, vor denen die Entwickler und Konstrukteure stehen, ist der wachsende Zeitdruck, wie Walther weiter ausführt: "Die Lieferzeiten werden immer kürzer, weshalb wir die Entwicklung in sehr kurzer Zeit bewerkstelligen müssen. Gleichzeitig haben die Kunden immer höhere Anforderungen, insbesondere was die Vielfalt der zu unterstützenden Prozesse anbelangt. Sie wollen beispielsweise mit einem Folgeverbundwerkzeug das Blechteil komplett bearbeiten und dabei Teile zuführen, die mit eingestanzt werden sollen. Diese Materialzuführung müssen wir gleich bei der Auslegung der Presse mit einplanen, das heißt entsprechende Freiräume schaffen."

Vorteile des Expliziten Modellierens

Obwohl die kleineren Stanz- und Umformautomaten mit 160 bis 1.000 Tonnen als Standardprodukte konzipiert sind, müssen die Konstrukteure immer noch etwas Hand anlegen, um kundenspezifische Anpassungen vorzunehmen, beispielsweise was Zuführung und Vorschub des Metallbandes anbelangt. Ihre Vorgehensweise ist dabei typisch für den Sondermaschinenbau: Sie nehmen eine bestehende Baugruppe oder Komponente aus einem ähnlichen Kundenauftrag und passen sie an die neuen Anforderungen an. "Die Variationen, die der Kunde wünscht, lassen sich schwer vorhersehen", sagt Walther. "Unsere wesentliche Anforderung ist deshalb, dass wir die 3D-Modelle schnell und flexibel anpassen können, ohne darauf Rücksicht nehmen zu müssen, wie sie aufgebaut sind."

Der explizite Modellierungansatz von Co-Create Modeling kommt der Arbeitsweise bei Andritz Kaiser sehr entgegen, weil die Konstrukteure ihre Teile ohne Einschränkungen abwandeln und von den geänderten Modellen auch sehr schnell eine neue Zeichnung ableiten können. Aus diesem Grunde hat sich die Firmenleitung im vergangenen Jahr entschieden, die 3D-Installation mit einer veralteten Version von Co-Create Modeling zu aktualisieren und den Co-Create Model Manager als CAD-Datenmanagement einzuführen, obwohl die konzernweite CAD-Strategie eigentlich ein parametrisches CAD-System in Verbindung mit einer anderen PDM-Lösung favorisiert.

"Wir wollten nicht auf ein neues System umsteigen, weil unsere Anwender mit dem parameterfreien Modellieren am besten zurecht kommen und weil wir schon ziemlich viele 3D-Modelle haben, die wir alle hätten neu aufbauen müssen", erklärt Walther, der früher selbst mit einem parametrischen Ansatz gearbeitet hat und dem expliziten Modellieren anfangs etwas skeptisch gegenüberstand. "Mittlerweile bin ich froh, dass wir die Lösung von PTC haben, weil es uns viel mehr Flexibilität bei Änderungen bietet. Wir müssen nicht darauf achten, wie die Teile miteinander verbunden sind, wenn wir etwas verschieben wollen. Für unsere Arbeitsweise ist diese Lösung eindeutig die beste Wahl." Ein weiterer Vorteil ist, dass man die bestehenden ME 10-Zeichnungen weiter bearbeiten kann. Obwohl die 3D-Software schon seit 2001 im Einsatz ist, gibt es nämlich noch "lebende" Produkte, die in 2D konstruiert wurden und die bei neuen Aufträgen auch in 2D angepasst werden. Der Anteil der 3D-Konstruktion liegt heute bei 70 Prozent, mit steigender Tendenz.

Quantensprung in punkto Produktivität

Co-Create Modeling läuft bei Andritz Kaiser derzeit als Netzwerk-Installation mit 14 Lizenzen sowie einer Lizenz des Co-Create Finite Element Analysis-Moduls und der Co-Create Part Library. Vorgesehen ist außerdem, eine Lizenz des Co-Create Advanced Design-Moduls zu beschaffen, mit dem man unter anderen kinematische Beziehungen zwischen Bauteilen definieren und simulieren kann. Die CAD-Modelle und -Zeichnungen werden mit dem Co-Create Model Manager verwaltet, der ebenfalls auf 14 Arbeitsplätzen im Einsatz ist. Das Datenmanagement ist ansatzweise mit dem ERP-System integriert, das bei der Anlage von neuen Artikelstämmen die führende Rolle spielt, so dass die Konstrukteure ihren Dokumenten ab einem bestimmten Freigabestatus eine entsprechende Nummer zuweisen können. Die Stücklisten werden allerdings nicht im Model Manager angelegt, sondern in einer Access-Datenbank und dann an das ERP-System übergeben.

Die Implementierung von CoCreate Model Manager erforderte eine Reihe von Anpassungen, um die spezifischen Anforderung von ANDRITZ Kaiser abzudecken. Die Firma konnte hier auf die kompetente Unterstützung von PTC-Vertriebspartner ASCAD zugreifen, dessen Mitarbeiter das Projekt sehr gut vorbereiteten, auch kleinere Fehler zügig behoben und die Produktivumgebung mit einem individuellen Supportkonzept betreuen, wie Walther lobend erwähnt. Drei Hauptanwender in Bretten testeten die neue Software, bevor sie in den produktiven Betrieb überführt wurde. Innerhalb eines Monats war die Umstellung abgeschlossen.

Für die Anwender bedeutete der Umstieg von der alten 12er auf die aktuelle Version von CoCreate Modeling einen Quantensprung in punkto Produktivität. "Die größten Forschritte sind zum einen die kontextsensitive Bedienerführung mit den Funktionsmenüs an der Maus bzw. am Cursor. Man kann dadurch die Modelle viel schneller bearbeiten. Zum anderen sind die Rechenzeiten beim Laden, Bearbeiten und Aktualisieren der Bauteile und auch bei der Ableitung der Zeichnungen wesentlich kürzer geworden. Da liegen Welten zwischen den Versionen", sagt Paolo Matassoni, einer der Hauptanwender in der Konstruktion. "Auch in funktionaler Hinsicht hat sich viel getan, beispielsweise durch die automatische Radienerkennung, die das Ändern von Gussteilen enorm beschleunigt."

Schnelles Ändern in Schnittebenen

Matassoni ist von seiner Ausbildung her Werkzeugmachermeister und hat sich dann zum Konstrukteur weitergebildet. Inzwischen arbeitet er seit sieben Jahren mit der Software, die ihm von Anfang an sehr entgegen kam, weil man seine Teile damit so modelliert, wie sie nachher auch gefertigt werden. Die Umschulung auf die aktuelle Version, die ein sehr intuitives Arbeiten ermöglicht, dauerte nur zwei Tage. "Ein großer Vorteil der neuen Version ist die Möglichkeit, direkt im Schnittmodus zu modellieren. Ich lege mir unterschiedliche Schnittebenen in mein Bauteil, in denen ich arbeite, und bin dadurch vor allem bei Änderungen sehr schnell. Außerdem erleichtert das Modellieren im Schnittmodus die Abstimmung mit anderen Abteilungen."

Ganz entscheidend für die Arbeitsweise bei Andritz Kaiser sind auch die Verbesserungen des Annotation-Moduls für die Ausleitung und Aufbereitung der 2D-Ansichten. Wenn man früher Modelle mit den anhängenden Zeichnungen kopierte und dann die Modelle veränderte, mussten meist auch die Zeichnungen nachbearbeitet werden. Heute lassen sie sich fast auf Knopfdruck aktualisieren, was mindestens 20 Prozent der Zeit spart, wie einer der Detailkonstrukteure sagt. In Verbindung mit dem integrierten Datenmanagement erlaubt die perfekte Integration zwischen 3D- und 2D-Funktionalität in Co-Create Modeling den Anwender heute ein paralleles Arbeiten, das gerade bei zeitkritischen Projekten sehr hilfreich ist. Matassoni erläutert, wie das funktioniert: "Noch bevor ich das 3D-Modell mit allen Details auskonstruiert habe, kann einer der technischen Zeichner mit der Aufbereitung der Fertigungszeichnungen beginnen. Er kann sogar weiter an der Zeichnung arbeiten, während ich das 3D-Modell kontrolliere und ergänze. Wenn er das modifizierte 3D-Modell wieder in seiner Arbeitsmappe übernimmt, werden seine Zeichnungen automatisch aktualisiert."

Durchlaufzeiten um die Hälfte verkürzt

Vom 3D-Einsatz profitieren heute auch die Fertigungspartner von Andritz Kaiser, die zusammen mit der 2D-Zeichnungen einen 3D-Datensatz erhalten, den sie für die Erstellung Ihrer Gussmodelle oder Schweißkonstruktionen weiter verwenden können. Außerdem werden die Modelldaten im Marketing genutzt, beispielsweise für die Illustration von Prospekten oder für Video-Animationen. "Der Einsatz der PTC-Software CoCreate Modeling hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Durchlaufzeiten in den letzten fünf bis zehn Jahren trotz wachsender Komplexität der Anlagen um ein Drittel bis 50 Prozent verkürzt haben", sagt Walther. Die Software beschleunigt nicht nur die Konstruktion, sondern auch die Fertigung und Montage, weil anhand der 3D-Modelle Kollisionen frühzeitig erkannt werden, die früher erst in der Werkstatt auffielen und dann mit einem enormen Zeit- und Kostenaufwand behoben werden mussten. Bei den engen Lieferterminen kann man sich diesen Aufwand heute nicht mehr leisten. Michael Wendenburg/ee

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GeschäftsberichtPTC Geschäftsbericht
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