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Planwirtschaft einmal anders
„Jeder Mittelständler wird Ihnen sagen, dass Planung wichtig ist“, weiß Joachim Bauer, Vertriebsleiter Zentraleuropa bei Delmia, aus Erfahrung. Die Produktion so zu gestalten, dass die vorhandenen Ressourcen effektiv eingesetzt, die Prozesse reibungslos laufen und das Produkt am Ende in der bestmöglichen Qualität und zu so geringen Kosten wie möglich hergestellt wird – dieses Ziel verfolgt jedes Fertigungsunternehmen. Zu berücksichtigen sind dabei die Prozesszeitenplanung, die Daten der Produktplanung, die Planung der Betriebsmittel. „Die Frage, die sich jedem Unternehmen stellt, ist, mit welchem Werkzeug sich die Planung am besten unterstützen lässt“, sagt Bauer. Bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) erfolgt die Planung noch traditionell auf Papier oder anhand von Excel-Tabellen. Sind die Produktionsprozesse nicht sehr komplex, die Fertigungstiefe gering und nur wenige Planer beteiligt, lässt sich die Planung mit diesen herkömmlichen Mitteln auch noch bewerkstelligen.
Bei aufwändigeren Produktionsprozessen sind die möglichen Fehlerquellen bei solchen Methoden jedoch sehr hoch. Es ist damit kaum möglich, allen am Produktionsprozess Beteiligten jederzeit Zugriff auf dieselben, aktuellen Informationen zu gewähren. Planungsfehler sind dabei kaum zu vermeiden und deren Auswirkungen kommen die Unternehmen oft teuer zu stehen. Denn Korrekturen an einzelnen Fertigungsprozessen in der laufenden Produktion sind mit großem Zeit- und Kostenaufwand verbunden. „Wenn an den Fertigungsvorrichtungen Umstellungen vorgenommen werden müssen, nachdem die Fertigung schon angelaufen ist, kostet das sehr viel Zeit und damit Geld“, so Bauer. „Zudem hat eine einzelne Änderung natürlich auch Auswirkungen auf andere Prozesse, die dann auch wieder verändert werden müssen.“
Erfahrungen aus der Zukunft nutzen
Mit einer Digitalen Planung ist gewährleistet, dass Informationen zu allen Produktionsprozessen und –ressourcen vorgehalten werden und dass alle Beteiligten zu jeder Zeit und von jedem Ort aus auf dieselben, aktuellen Daten zugreifen können. Zudem erlaubt sie die Standardisierung von Prozessen, Ressourcen und Betriebsmitteln, eine klare Zuordnung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten über die Prozesskette hinweg sowie die Möglichkeit zur Automatisierung. Auch komplexe Produktionsabläufe sind damit bereits am Bildschirm so exakt planbar, dass bei deren späterer Realisierung Zeit und Kosten gespart werden können. Joachim Bauer fasst die Vorzüge einer Digitalen Planung so zusammen: „Die Digitale Planung hilft, den Bruch zu überwinden, der entsteht, wenn mehrere Mitarbeiter in die Produktionsprozesse eingebunden sind. Es wird damit ein einheitlicher Kenntnisstand für alle an der Produktentstehung Beteiligten geschaffen.“
Wann sich das Werkzeug der Digitalen Planung für einen Mittelständler lohnt, hängt von der Komplexität seiner Aufgaben ab. „Sind in die Fertigungs- und in die projektbezogene Planung mehr als drei bis vier Planer involviert, die parallel arbeiten, wird es schon schwierig, die Datenbasis papier- oder Excel-basiert konsistent zu halten“, so Bauer. Ein weiteres Kriterium ist die verteilte Fertigung an unterschiedlichen Standorten, komplexe Produkte oder eine hohe Anzahl an Produktvarianten sowie die Beteiligung von Sublieferanten. „All das sind Faktoren, die zu einer hohen Datenmenge führen und eine Vorausplanung erschweren“, erklärt er. „Eine Tabellenkalkulation mit Excel reicht dafür einfach nicht mehr aus.“
Strategischer Mehrwert
Der Nutzen der Digitalen Planung zeigt sich an vielen Stellen. Durch eine gemeinsame Datenbasis wird die Planung vereinheitlicht, das heißt, sie bleibt nicht jedem einzelnen Mitarbeiter überlassen, sondern kann an unternehmensstrategischen Gesichtspunkten ausgerichtet werden. Ein weiterer entscheidender Aspekt ist eine höhere Kostentransparenz: Mit einer Digitalen Planung kann das Unternehmen feststellen, was die Herstellung eines Produkts auf Basis der geplanten Fertigung kostet. „In der Automobilindustrie ist es gang und gäbe, dass der OEM (Original Equipment Manufacturer) dem – traditionell mittelständischen – Automobilzulieferer genau vorgibt, was ein zu fertigendes Teils kosten darf. Für den Zulieferer stellt sich dann die Frage, wie er seine Prozesse gestalten muss, um den vorgegebenen Preis erreichen und gleichzeitig noch selbst einen Gewinn erzielen zu können.“ Ohne eine passgenaue Planung würde er Gefahr laufen, nicht wirtschaftlich zu produzieren. Daneben verlangen die OEMs bei Ausschreibungen in der Regel auch eine digitale Absicherung der Planung. Der Lieferant muss dann anhand einer Computersimulation beispielsweise nachweisen, dass er die verlangte Stückzahl in der vorgeschriebenen Zeit auch tatsächlich liefern kann.
Ein weiterer Vorteil einer optimierten Planung ist, dass bereits vorhandenes Know-how leichter wieder verwendet werden kann. „Wenn ich auf den Planungsstand des Vorprojekts zurückgreifen kann, muss ich bei Projektbeginn nicht immer wieder bei Null anfangen, sondern kann auf bereits erworbene Erfahrungen zurückgreifen.“ Das setzt allerdings voraus, dass die Digitale Planung nicht mit dem Produktionsstart endet, sondern konsequent parallel zur Fertigung fortgesetzt wird. Nur dann stehen am Ende eines Produktlebenszyklus aktuelle Daten zur Verfügung, die für ein Folgeprodukt genutzt werden können. Eine durchgehende Digitale Planung lohnt sich auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt: Automobilhersteller kalkulieren bereits beim Produktionsstart eines Modells ein, im Laufe des Produktlebenszyklus durch verbesserte Fertigungsprozesse Einsparungen zwischen fünf und acht Prozent zu erreichen. Je mehr ein Hersteller den Planungsstand aktuell hält und auch die Verbesserung digital plant, desto früher kann er die Kostenverbesserungspotenziale ausschöpfen.
Einführungsaufwand gering halten
Trotz der unbestreitbaren Vorteile scheuen gerade mittelständische Unternehmen immer noch die Digitale Planung. „Viele Mittelständler haben die Vorstellung, dass sie gleich die gesamte Fertigung digital abbilden müssen“, weiß Bauer und rät vor einer solchen Vorgehensweise ab. „Viel sinnvoller ist es, im Vorfeld zu identifizieren, wo man schnell und mit geringem Einführungsaufwand einen möglichst großen Nutzen erzielt.“ Dazu rät er, zunächst nur einzelne Prozesse aus der Kette heraus zu lösen und digital zu planen. „Auch dadurch erreicht man eine gewisse Standardisierung der Prozesse und kann von diesem Stand aus die Digitale Planung sukzessive ausweiten.“
Durch eine hohe Standardisierung in den Fertigungsabläufen ist der KMU sehr flexibel und Planungsänderungen können sehr viel schneller vorgenommen werden als bei einem Großunternehmen. Dort werden oft sehr individuelle, komplexe Prozesse gepflegt, die auch eine individuelle Anpassung der Planung erfordern.
Das Argument, dass Mittelständlern die qualifizierten Mitarbeiter für eine Digitale Planung fehlen, lässt Bauer nicht gelten. „Planer müssen heutzutage qualifizierte Leute sein, ob in einem Konzern oder bei einem KMU. Mit der Digitalen Planung haben sie Zugang zu mehr Informationen und bekommen einen ganzheitlichen Blick auf die Fertigung. Komplexe Zusammenhänge, die hilfreich für die Planung sind, werden so viel eher sichtbar.“ Um die Akzeptanz der Anwender zu erhöhen, arbeitet Delmia auch daran, die digitalen Planungswerkzeuge intuitiver bedienbar und noch leichter erlernbar zu gestalten.
„Die Digitalen Planung ist im Grunde nur ein Werkzeug, die Planungsprozesse dort effizienter zu gestalten, wo ich mit Papier oder Excel nicht mehr weiter komme“, fasst Joachim Bauer zusammen. Gerade im Mittelstand sieht er dabei noch viel Nachholbedarf: „Wer ein gewisses Maß an komplexen Prozessen hat, kommt nicht mehr um die Digitale Planung herum. Und je früher ich als Mittelständler darauf setze, desto eher kann ich mir damit den vielleicht entscheidenden Wettbewerbsvorteil erarbeiten.“
Stefan Graf / [email protected]