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Wohin führt die digitale Welt in der Zahnheilkunde?

Die Dentalbranche steht vor einem grundlegenden Wandel ihrer Prozessketten. Durch das intraorale Scannen verfügen Zahnärzte und Techniker immer häufiger über digitale, biometrische Patientendaten, die das Fertigen von dentalen Medizinprodukten mittels CAD/CAM- und Rapid-Manufacturing-Verfahren attraktiv machen. Dreve Prodimed bietet hier einen neuen Werkstoff sowie das Scan-LED-Verfahren, das die künftigen Anforderungen der Branche erfüllen könnte.

In der heutigen Zeit einer globalisierten Informations- und Wissensgesellschaft vollziehen sich Veränderungen schneller und tiefgreifender als vormals. Für den Verbraucher bedeutet dies erfreulicherweise eine Fülle neuer Angebote und Möglichkeiten, die vor wenigen Jahren noch utopisch anmuteten. Speziell in der Medizintechnik setzt sich mehr und mehr ein nachhaltiger Trend zur Digitalisierung und Automatisierung durch und führt seit kurzem zu besonders tiefgreifenden Umstrukturierungen. Neue Technologien und Prozessketten haben jüngst zu dem innovativen wettbewerbsstrategischen Konzept der Mass Customization (kundenindividuelle Massenfertigung) geführt. Der Schritt vom Rapid Prototyping zum Rapid Manufacturing von Endprodukten ist bereits in der Sparte der Hörgeräteindustrie überaus erfolgreich vollzogen worden. Innerhalb von wenigen Jahren konnten so 40 bis 60 Prozent Weltmarktanteil an gefertigten Hörgeräteschalen erreicht werden. Aktuell setzt sich dieser Technologieschub eindrucksvoll auch in der Dentalindustrie fort.

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Die Basis für die neuen digitalen Prozessketten bilden bildgebende Verfahren. Dazu sei insbesondere auf die ‚Digitale Abformung‘ hingewiesen, wie sie etwa von der Bensheimer Sirona Dental Systems AG im Rahmen des Cerec-Connect-Systems realisiert ist. Die Scantechnologien sind in der Zahnmedizin im wahrsten Sinne ‚in aller Munde‘ und bewirken derzeit einen massiven Strukturwandel der Prozessketten. In der restaurativen Zahnheilkunde sind die Tage gezählt, wo Zahnärzte gezwungen sind, Patienten in beängstigend große Abformlöffel beißen zu lassen, um eine Abdrucknahme der Kiefer vorzunehmen. Heutzutage kann der Behandler den Mundraum direkt mit handlichen Intraoralscannern digital und präzise erfassen [1]. Die so genannte ‚Digitale Abformung‘ erhöht den Komfort und ermöglicht eine umgehende Verarbeitung der digitalen biometrische Daten zur Herstellung von Zahnersatz. In den 90igern verbreiteten sich bereits erste automatisierte Produktionskonzepte auf der Basis digitaler Daten. So konnten beispielsweise dentale Einzelrestaurationen durch CAD-CAM-Fräsverfahren hergestellt werden. Subtraktive Fertigungsverfahren werden bis heute zur Herstellung von Teilen aus unterschiedlichen Dentalwerkstoffen verwendet. Jedoch führte diese Technologie zu keinem umfassenden Strukturwandel, da abtragende Verfahren lediglich als Ergänzung im etablierten handwerklichen Herstellungsprozess genutzt wurden.

Seit einiger Zeit werden aber auch neuartige Prozesse aus dem Bereich der generativen Fertigungsverfahren in der Dentalindustrie verwendet mit denen beispielsweise Dentalmodelle, Bohrschablonen oder Kronen und Brücken hergestellt werden. Diese Verfahren basieren auf dem additiven Schichtbauprinzip und eignen sich besonders zur kundenindividuellen Massenproduktion von Einzelteilen. Generative Fertigungsverfahren, wie beispielsweise das 3D-Printing, das Lasersintern oder die Stereolithografie bieten im Gegensatz zu abtragenden Verfahren den Vorteil, dass nahezu jede Geometrie gefertigt werden kann. Darüber hinaus können bei diesen Verfahrenskonzepten hohe Stückzahlen in einem weitgehend automatisierten Prozess hergestellt werden. Diese neuen Technologien werden jedoch erst konkurrenzfähig, wenn die Effizienz der generativen Fertigungskonzepte durch geeignete Prozessketten und Modifikationen der Baustrategie, des Bauteildesigns sowie der Materialauswahl optimiert werden. Hierzu soll an dieser Stelle der Fertigungsprozess von Dentalmodellen als exemplarisches Beispiel dienen (Bild 1). Dentalmodelle werden durch den in Bild 1 gezeigten Workflow hergestellt. Dieser ist dadurch definiert, dass die biometrischen Patientendaten der digitalen Abdrucknahme als Grundlage für jeden Prozessschritt der Produktionskette verwendet werden. Dies ermöglicht einen einfachen und schnellen Datentransfer von der Zahnarztpraxis zum Dentallabor. Dort wird in der Regel das Dentalmodell durch eine spezielle Software virtuell konstruiert (vgl. Bild 2a und 2b).

Diese Daten werden zur Herstellung an einen externen Fertigungsbetrieb weitergeleitet, wo die Bauteile beispielsweise mittels Stereolithografie gebaut werden (Bild 3a). Nach dem Herstellungsprinzip von generativen Fertigungsverfahren wird das Bauteil schichtweise generiert. Bei Stereolithografieanlagen erfolgt dies durch das Polymerisieren von flüssigem Kunststoff mittels UV-Laser, welcher die Harzoberfläche rasterartig belichtet.

Die Dentalmodelle werden nach der Herstellung im Postprocessing gereinigt und anschließend in einer UV-Belichtungseinheit bestrahlt, um die finalen mechanischen Eigenschaften zu erzeugen. In diesem Zustand wird das Modell an einen Fertigungsbetrieb versendet. Dort wird es als Konstruktions- und Prüfmodell für die Herstellung von Zahnersatz verwendet (Bild 3a und 3b).

Wie bereits erwähnt, ist auch die richtige Materialauswahl entscheidend für einen effizienten und vielseitigen Produktionsprozess. Bislang waren die Einsatzmöglichkeiten von generativen Fertigungsverfahren im Dentalbereich durch die geringe Materialvielfalt stark beschränkt. Derzeit ist beispielsweise die Herstellung von weichen oder flexiblen Bauteilen mittels Stereolithografie nur bedingt möglich, da die Qualität der Materialien für zahnmedizinische Zwecke nicht ausreicht. Mit einem neuartigen Stereolithografie-Harz von Dreve Prodimed ist erstmalig ein weiches, flexibles Material verfügbar, welches sogar den Anforderungen im Dentalbereich genügt. Das biokompatible Endprodukt ist reversibel verformbar und weist eine vergleichsweise hohe Reißfestigkeit auf (Bild 4).

Flexible Materialien finden beispielsweise bei der Fertigung von implantatgestützten Restaurationen häufigen Einsatz. Zur Herstellung des Zahnersatzes werden oftmals Gingivamasken, also Masken des Zahnfleisches, über aufwändige Umformprozesse hergestellt, die in konventionell gefertigten Dentalmodellen eingegliedert werden. Mit dem flexiblen Stereolithografie-Harz kann diese Maske einfach während der Konstruktion der virtuellen Dentalmodelle angefertigt und mittels Stereolithografie hergestellt werden (Bild 5a und 5b) [4,5,6]. Beide Bauteile können im Anschluss unkompliziert über Steckverbindungen ineinander gefügt werden. Derartige Gingivamasken liefern dem Zahntechniker wichtige Informationen über Zahnfleischposition und Form des Zahnfleischsaums, welche bei der Herstellung von implantatgetragenen dentalen Restaurationen entscheidend zur Funktion und Ästhetik der künstlichen Zähne beitragen. Zudem vereinfachen die Steckverbindungen die Handhabung bei dem Herstellungsprozess der Restauration und gewährleisten eine definierte Position der Maske auf dem Modell. So beschriebene Gingivamasken lassen sich über konventionelle Verfahren nur aufwendig realisieren und sind nicht reproduzierbar.

Zukünftige Fertigungskonzepte

Alle dem heutigen Stand der Technik entsprechenden generativen Fertigungsverfahren des Rapid Manufacturing haben Vor- und auch Nachteile. Aus der Kombination von Herstellkosten, hoher Kundenindividualisierung und einer notwendigen hohen Bauteilpräzision ergibt sich direkt das Anforderungsprofil für die Herstellung von dentalen Formteilen der Zukunft (Abb. 6).

Das generative Fertigungsverfahren der Zukunft sollte ähnlich einfach wie ein 3D-Printer bedienbar sein und dem Direct Light Processing (DLP-Verfahren) vergleichbare Unterhaltskosten aufweisen. Ferner ist es wünschenswert, dass das Verfahren mindestens die gleiche Bauteilequalität hinsichtlich Materialeigenschaften und Präzision wie die Stereolithografie liefert. Als weitere Anforderung ist die Flexibilität in Bezug auf die Baugeschwindigkeiten in Abhängigkeit von der Auslastung zu berücksichtigen, um den Produktionsprozess möglichst effektiv gestalten zu können. All diese Anforderungen könnte das Scan-LED-Verfahren, welches über Dreve zu beziehen ist, zukünftig leisten. Diese Technologie vereinigt die Vorteile der oben aufgeführten Technologien in sich. Sie funktioniert wie folgt (Bild 7): Das Harz für die Dentalmodellherstellung befindet sich ähnlich wie bei einer Stereolithografie-Maschine in einem Behälter (Vat), in dem sich der Elevatorarm mit der Bauplattform und das Beschichtungssystem befinden. Über diesem Vat bewegt sich in xy-Richtung der Belichtungskopf − vergleichbar mit einem 3D-Drucker. Mittels dieses Belichtungskopfes wird eine Maske von rund 3 cm x 5 cm auf die Harzoberfläche projiziert, um die Photopolymerisation auszulösen. Diese Maske wird dann über jeden Punkt des Vats verfahren. Vorteilhaft ist dabei, dass sehr hohe Auflösungen − ein Pixel hat eine Kantenlänge von zirka 32 μm − über eine Bauplattform von 60 cm x 40 cm erzielt werden können (Bild 8).

Die Belichtungseinheit setzt sich aus einem DLP-Chip und einer LED-Bestrahlungsquelle zusammen. Die LED-Quelle ist ein großer Unterschied zu den kommerziell erhältlichen Verfahren auf DLP-Technologien. Sie leistet im UV-Bereich 350 mW. Diese hohe Strahlungsleistung im UV-Bereich hat mehrere Vorteile. Zum einen kann eine optimale Anhaftung der Schichten gewährleistet werden (ähnlich der SLA-Technologie), und zum anderen müssen keine chemischen Zusatzkomponenten zur Strahlungstiefenkontrolle eingesetzt werden. In der Praxis heißt das, dass die Mechanik und Kosmetik der Dentalteile sich mindestens auf dem Niveau der stereolithografisch hergestellten Teile bewegen.

Zusätzlich sind die Unterhaltungskosten der LED-Quelle um Größenordnungen kleiner als die einer Laser-Strahlungsquelle und somit das Verfahren erheblich wirtschaftlicher. Weitergehend sind bei der Scan-LED-Technologie verfahrensbedingt die Bauzeiten zu einem wesentlichen Teil von der Anzahl der Bauteile abhängig. Das bedeutet, dass im Gegensatz zur kommerziell verfügbaren DLP-Technologie niedrige Stückzahlen relativ schnell und auch große Stückzahlen in einem Durchgang gebaut werden können. Letztendlich ist so eine wesentlich flexiblere Produktionsplanung möglich. Aus all den genannten Gründen gehen die Autoren davon aus, dass gerade diese neue generative Fertigungstechnologie in idealer Weise einsetzbar für das Rapid Manufacturing von dentalen Formteilen zukünftig sein und ihren Beitrag zur weiteren Verbreitung der Digitalen Zahnheilkunde leisten wird. -mc-
M. Kaiser, F. Gischer und Dr. M. Klare sind Mitarbeiter der Dreve Prodimed GmbH in Unna

Quellenverzeichnis:
[1] A. Syrek, G. Reich, D. Ranftl, Ch. Klein, B. Cerny, J. Brodesser. Clinical evaluation of allceramic crowns fabricated from intraoral digital impressions based on the principle of active wavefront sampling. Journal of Dentistry, 2010; 38 (7): pp 553 - 559.

  1. F. Beuer, J. Schweiger. CAD in practice, Zahntechnik Wirtschaft Labor, 2009; (1): pp 38 - 42.
  2. J. Schweiger. Rapid Prototyping - Neue Fertigungswege in Zahntechnik und Zahnmedizin, Digital Dental.News, 2. Jahrgang, pp 36 - 40. (März 2008)
  3. J. Schünemann, B. Cyron, M. Klare. Einsatzmöglichkeiten generativer Fertigungsverfahren in der Zahntechnik, Quintessenz Zahntech 34(8), pp 1028 - 1034 (2008)
  4. M. Klare, F. Gischer, Grundlagen des Rapid Prototyping für Dental-Applikationen (Teil 1), Digital Dental.News, 3. Jahrgang, pp 30 - 34 (Oktober 2009)
  5. M. Klare, F. Gischer, Grundlagen des Rapid Prototyping für Dental-Applikationen (Teil 2), Digital Dental.News, 3. Jahrgang, pp 18 - 24 (November 2009)
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