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Rapid.Tech-Rückblick, die 2.
In unserem 2. Teil des Rapid.Tech-Rückblicks berichten wir zum Beispiel über das Projekt DirectSpare, das sich um Ersatzteile mit Mehrwert kümmert, die Aktivitäten des Direct Manufacturing Research Center (DMRC) an der Universität Paderborn sowie Tipps zur Rapid-Manufacturing-gerechten Konstruktion.
Aus dem Versagen eines 3-Euro-Befestigungsclips für Aufstellwände beim Aufbau eines Messestandes für die Euromold wurde die Idee für das Projekt DirectSpare geboren: Ersatzteile mit Mehrwert, oft besser als das Original, die bedarfsgerecht gefertigt werden. Denn eine FEM-Analyse des Befestigungsclips ergab, dass dieser eine ungewollte Sollbruchstelle enthielt. Mitarbeiter der Firma BPO aus Delft (Niederlande) konstruierten den Clip kurzerhand um und ließen die neue Variante drucken. Seitdem sind die Clips haltbarer als das Original.
Welche Möglichkeiten sich aus einem derartigen Ansatz ergeben, erläuterte Dr. Olaf Rehme, Projektleiter für DirectSpare innerhalb Siemens: "Das Projekt soll beispielsweise mittels Bestandsoptimierung eine effizientere Lagerhaltung zum Ende eines Produktlebenszyklus ermöglichen". Ist ein Produkt schon lange auf dem Markt, werden immer seltener Ersatzteile dafür nachgefragt. Irgendwann rentiert es sich nicht mehr, diese auf Lager zu halten. "Hier könnten ¿on demand` per Rapid Manufacturing gefertigte Teile nicht nur das Produktleben verlängern, sondern sogar das gesamte Produkt durch bessere Ersatzteile weiterhin verbessern", ist Rehme überzeugt. Die höheren Kosten eines additiv gefertigten Teiles könnten durch die dann nicht mehr nötige Lagerhaltung mehr als aufgefangen werden. Diese bedarfsgerechte Einzelteilfertigung vor Ort schafft zugleich noch wirtschaftliche und ökologische Vorteile. Angewandte Beispiele konnte Rehme hier auch aus der Luftfahrtindustrie nennen: "Beim Eurocopter musste zum Beispiel die am Kabinenboden montierte 'Command Support' ausgetauscht werden, aber die Originaldaten waren nicht mehr existent". So wurde das Teil reverse engineered und aus einem im Rahmen des Projektes von Evonik neu entwickelten Polymer gedruckt, das die Forderung nach einer Glastemperatur von über 100 ºC erfüllte.
Neben Reverse Engineering können die Daten auch aus 2D-CAD-Daten rekonstruiert und Originaldaten an die Anforderungen des Rapid Manufacturings angepasst werden. Im Rahmen des Projektes DirectSpare sollen auch Rapid-Design-Werkzeuge, eine CAE-Konstruktionssystematik und Gestaltungsregeln in wissensbasierten Systemen entworfen sowie neue Werkstoffe entwickelt werden. Zudem beschäftigen sich die Teilnehmer mit Fragen des Datenmanagements und der Datenverfolgung, um die neuen Abläufe abzubilden. Es geht darum, die Rückverfolgbarkeit sicher zu stellen. Ebenso wird untersucht, wie sich das Direct-Spare-Konzept mit derzeitigen Geschäftsmodellen verträgt, mit dem Ziel, ein auch für kleine und mittelständische Unternehmen tragfähiges Geschäftsmodell zu definieren.
Über die Aktivitäten des Direct Manufacturing Research Center (DMRC) der Universität Paderborn berichtete Dr. Dieter Schwarze, Wissenschaftlicher Koordinator der SLM Solutions GmbH, vormals als MTT bekannt. Das DRMC ist ein Forschungsverbund von mittlerweile zehn Mitgliedern aus Industrie und Forschung, die das gemeinsame Interesse verfolgen, additive Fertigungsverfahren zu einem Standard-Produktionsverfahren weiterzuentwickeln. Zu den Partner zählen SLM Technologies, Boeing, EOS, Evonik Industries, Siemens, Stratasys, Stükerjürgen, Blue Production, Eisenhuth und die Universität Paderborn.
Der Fokus des DMRC liegt darauf, gemeinsam Verfahren, Prozesse und Materialien weiter zu entwickeln und zu optimieren. Finanziert werden die Forschungsprojekte gemeinsam von den Partnern und dem Land NRW. Sie umfassen unter anderem Marktstudien, Zukunftsszenarien, detaillierte Prozess-, Material- und Eigenschaftsuntersuchungen, die Entwicklung von Konstruktionsrichtlinien, Implementierung in Fertigungsprozesse und eine Qualitätssicherung. In partnerübergreifenden Projekten.
In seinem Vortrag im Rahmen des Luftfahrtforums ging Schwarze vor allem auf die Nutzung der Titanlegierung Ti6Al4V ein. Teile aus diesem Werkstoff bieten sich trotz höheren Gewichts oft an, da sie nicht so korrosionsempfindlich wie Aluminiumteile sind und daher bei Montage und Wartung nicht ganz so vorsichtig behandelt werden müssen. "Hier muss sehr genau geschaut werden, ob das höhere Materialgewicht durch eine andere Konstruktion wieder ausgeglichen werden kann", betonte Schwarze, wies aber darauf hin, dass was die Qualitätsaspekte bei Titanlegierungen angehe, noch viele Hausaufgaben zu machen seien. Am DMRC wurden bereits Studien zur Zugfestigkeit von Ti6Al4V-SLM-Teilen durchgeführt. "Die kompletten Ergebnisse sind aber DMRC-Mitgliedern vorbehalten", sagte Schwarze, verbunden mit der Aufforderung, dort Mitglied zu werden.
Was sich durch Rapid-Manufacturing-gerechtes und bionisches Konstruieren im Leichtbau erreichen lässt, belegte Schwarze anhand eines Business Cases des Instituts für Laser- und Anlagensystemtechnik (iLAS) der TU Hamburg-Harburg. Dort redesignten Wissenschaftler um Professor Claus Emmelmann eine Halterung in einem Flugzeug, die lasergenerativ hergestellt um den Faktor zwei leichter ist als das konventionell-gefertigte Modell. Geholfen hat dabei eine FE-basierte Topologieoptimierungs-Software, mit der sich das Verhältnis von Gewicht zu Belastbarkeit optimieren lässt. Das numerische Ergebnis wird anschließend lasergeneriergerecht interpretiert und konstruktiv mit Hilfe einer speziell entwickelten Bionik-basierten Konstruktionsmethodik umgesetzt.
"Der Vorteil der Additiven Fertigung liegt hier darin", berichtete Schwarze, "dass die Baukosten nicht von der Komplexität eines Teils abhängen, sondern nur von der Bauzeit". Airbus habe sogar die Vision, eines Tages "durch 'Full Additive Layer Manufacturing' benötigte Teile 60 Prozent günstiger und 30 Prozent leichter zu fertigen".
Gute Argumente, sich mit Rapid Manufacturing auseinander zu setzen, nannte auch Dr. Thomas Schilling, Leiter Konstruktion & Entwicklung des RP/RM-Dienstleistungsunternehmen 3D Schilling, zu dessen angebotenen Verfahren neben Stereolithografie und Lasersintern auch der Vakuumguss sowie Ingenieurdienstleistungen gehören. In seinem Vortrag 'Konstruktion komplexer Geometrie zur Realisierung mittels RP-Verfahren' nannte er als Motivation sich mit Prototyping-gerechtem Konstruieren zu beschäftigen, dass "12 Prozent des Gesamtpreises eines Teiles auf die Konstruktion entfallen, diese aber 75 Prozent des Preises festlege". Da mit Rapid Prototyping fast jede Form geometrisch hergestellt werden kann, gab Schilling zu bedenken: "Die kontinuierliche Werkstoffentwicklung bedeutet für den Konstrukteur, dass was heute gut ist morgen schon besser zu lösen sein kann".
Schillings Vortrag, der auf der Internetseite des Unternehmens einzusehen ist, enthielt denn auch allgemeine Konstruktionsrichtlinien, wie das Bestreben, die Anzahl und Vielfalt der Bauelemente ebenso wie die Materialvielfalt zu minimieren. Ziel müsse es sein, Bauteile leicht aufeinander abstimmen zu können und diese für genormte Werkzeuge zu gestalten. Neben montage- und kraftgerechter Konstruktion komme es auch darauf an, durch minimale Wandstärken Ressourcen zu schonen. Auf die Frage, wie viele Kunden diese Konstruktionsregeln schon beachten, gab Schilling zu bedenken: "Diese Konstruktionsregeln sind vor allem dann wichtig, wenn ein Teil später auch wirklich per Rapid Manufacturing hergestellt werden soll, nicht für den reinen Prototypenbau, wenn ein Teil später per Spritzguss gefertigt wird."
Monika Corban, Freie Mitarbeiterin, CAD-CAM REPORT
Projekt DirectSpare/Materialise GmbH, Oberpfaffenhofen, Tel. 08153/8812 -0, www.directspare.eu/index
SLM Solutions GmbH, Lübeck, Tel. 0451/16082-0, http://www.slm-solutions.com
DMRC, Paderborn, Tel. 05251/60-5415, http://dmrc.uni-paderborn.de
TU Hamburg-Harburg - Institut für Laser- und Anlagensystemtechnik, Hamburg, Tel. 040/42878-3456, http://www.tu-harburg.de/ilas.html
3D Schilling, Sondershausen, Tel. 03632/5227-30, http://www.3d-schilling.de